Wieviel Leistung ist angemessen für ein sportliches Naked Bike? Antwort von BMW Motorrad: „Ja!“ Steht schon die normale S 1000 R mit 165 PS gut im Futter setzt die BMW M 1000 R mit einer Motorleistung von 154 kW (210 PS) und einem Leergewicht (fahrfertig vollgetankt) von nur 199 kg ordentlich einen drauf. Hiermit ist sie das stärkste, strassenzugelassene Naked Bike, an die nicht mal eine Ducati Streetfighter V4 rankommt, der auf dem Papier 2 PS fehlen.

Bereits Ende 2018 führte BMW Motorrad die aus dem Auto-Bereich bekannte „M“-Kennzeichnung auch bei den Motorrädern ein und bezeichnet damit die besonders sportlichen Modelle. Im Falle der M 1000 R darf der Vierzylinder auf die aus der S 1000 RR bekannte volle Leistung von eben genannten 210 PS zurückgreifen. In 2016 hatte mich die damals aktuelle Version der S 1000 RR auf unserer Alpentour extremst fasziniert. Nicht nur wegen der brachialen Leistung aber auch wegen ihrer Fahrbarkeit und ja, Tourentauglichkeit.

Die M 1000 RR gibt es bereits als Schwestermodell, die M 1000 XR wird bald folgen. Im Rahmen der BMW Motorrad Days konnte ich mir für ein paar Stunden davon überzeugen, was das „M“ im Namen bedeutet. Der Druck auf den Anlasser brachte das akustische Gegenstück zum Brüllen eines Löwen zutage: akustische Reviermarkierung kann sie also schon. Zum Einrollen ging es zunächst im gemäßigten und geschwindigkeitsbegrenzten Tempo auf die Avus stadtauswärts. Unterstützt vom Schaltassistent Pro ging es lack-klack-klack durch die Gänge und ich war schneller im 6. Gang als ich dachte. Ein erstes Anzeichen für die super Fahrbarkeit des Vierzylinders, der auch ohne Ruckeln oder Zicken im höchsten Gang mit niedriger Drehzahl klarkommt.

Das erste, freie Stück Autobahn nutzte ich dann um Geschwindigkeit zu machen. Verkehrsbedingt konnte ich mich auf ca. 180 km/h rantasten, was einigermassen schnell sein mag aber immer noch 100 km/h UNTER der möglichen Höchstgeschwindigkeit des Motorrades liegt. Wohlgemerkt einem Naked Bike. Bei besagten 180 km/h dreht die Maschine im 6. Gang irgendwas um die 7.500 U/min, bis zur Abgabe der Maximalleistung hat man noch über 6.000 U/min Puffer. Ungläubig schaute ich auf das digitale Drehzahlband. Und kämpfte schon bei den für dieses Motorrad „mittleren“ Geschwindigkeiten sehr mit dem Winddruck, trotz auf dem Tank abgelegten Oberkörper und maximal angewinkelten Nacken. Ist halt ein Naked Bike.

Runter von der Autobahn nahm ich Kurs über die kleineren Landstrassen der Nuthe-Nieplitz-Niederung und auch wenn der Asphalt mal nicht perfekt war bügelte das Fahrwerk alles glatt. Bei Ortsdurchfahrten musste man eigentlich nicht runterschalten, der Motor schnurte ohne Schluckauf auch im sechsten Gang mit 50 km/h durch die Dörfer. Aber wehe, wenn man am Orstausgang ein paar Gänge runtersteppt und den Hahn aufzieht. Mit vehementem, über 5.000 Umdrehungen fast brachialem Schub ging es nach vorne. Wenn man dann noch auf einer der zahlreichen Alleen unterwegs ist, fehlen nur noch die Beschleunigungsstreifen kurz vorm Warp-Sprung um das hier stattfindende Spektakel perfekt zu inszenieren. Neben der immensen Leistung und des gesteigerten Drehmoments merkt man hier auch die gesteigerte Zugkraft dank kürzerer Sekundär- und Getriebeübersetzungen.

Willig fällt das Motorrad in die Kurven und sowohl enge und schnelle Kurvenwechsel als auch langgezogen Radien kann man selbstbewusst attackieren, der breiter als bisher bei der S 1000 R ausgelegte Aluminium-Rohrlenker gibt einem sehr gute Kontrolle. Persönlich gibt mir das ein besseres Gefühl als mit den kürzeren und tiefer sitzenderen Stummellenkern der Doppel-R-Schwester.

Um dem schier unendlichen Vortrieb auf der Verzögerungsseite ein adäquates Pendant entgegenzusetzen, verfügt die M 1000 R nach der M 1000 RR über die sogenannte M Bremse. Sie wurde direkt aus den Erfahrungen mit den Rennbremsen der BMW Motorrad Werksrennmaschinen in der Superbike-Weltmeisterschaft weiterentwickelt. Zusammen mit zwei 320 mm-Bremsscheiben von 5 mm Dicke und Bremsscheibenträgern aus Aluminium markiert die mit einer neuen Radial-Handbremspumpe ausgerüstete Bremsanlage derzeit laut BMW die Spitze der Bremsenentwicklung im Bereich der straßenzugelassenen Anlagen. Auf jeden Fall fühlt es sich so an, auch die Bremswirkung ist von einem anderen Stern und schafft sehr viel Vertrauen ins Fahrzeug. Und trotz alles Vertrauens habe ich eine Funktion nicht getestet: den Brake Slide Assist, der dem Fahrer Unterstützung bei Anbremsdrifts bietet um mit konstantem Slide in Kurven einzufahren. Dazu ist zum einen mein Rennstrecken- und Supermoto-Gen zu wenig ausgeprägt, zum anderen wollte ich das mindestens 22.600 € teure Gerät nicht in die brandenburgische Botanik schmeissen.

Unerschöpfliche Fahrdynamik aber auch Aussentemperaturen von 34° sorgten dafür, dass der Fahrer eine abkühlende Pause brauchte. An der Tankstelle betrachtete ich das Bike aus allen Richtungen und blieb immer wieder an den optisch sehr markanten Winglets hängen. Im Stehen eignen sich diese übrigens sehr gut als Abstellfläche für eine Dose österreichischer Energiebrause, das ist aber überraschenderweise nicht deren eigentlicher Zweck sondern die bestmögliche Fahrstabilität bei hohem Tempo. Bereits bei einer Geschwindigkeit von 160 km/h sorgen sie dank der erzeugten aerodynamischen Abtriebskäfte für eine Erhöhung der Vorderradlast (um 11 kg bei 220 km/h).

Den Bereich konnte ich dann auf der anschliessende Autobahn-Schlussetappe kurz antesten, bevor wieder die Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der A115 zu gemäßigterem Tempo mahnten. Eine Eigenheit fiel mir aber hierbei auf: in den neuen – aus Aluminium geschmiedeten – Lenkerendspiegeln kann man in bestimmten Drehzahlbereich den hinter einem liegenden Verkehr nur schemenhaft erkennen aufgrund der übertragenen Vibrationen. Aber was interessiert einem auf dieser Rakete auch was hinter einem liegt, der Blick gehört nach vorne.

Dieser Blick nach vorne offenbart dem Fahrer auch die Instrumentenkombination mit einem 6,5-Zoll-TFT-Display, das der Ausführung der M 1000 RR entspricht. Verschiedene Display-Modi sind verfügbar, im Sportmodus werden einem viele Zusatzinformationen wie Schräglagenwinkel angezeigt. Koppelt man das Handy mit der BMW Connected Ride App zeichnet diese die Fahrt automatisch auf und man findet dort dann sehr detaillierte Informationen zur Fahrt.

Die Rennstrecken-Hengste können im Rahmen der Sonderausstattung mittels eines Freischaltcodes über die OBD-Schnittstelle der Instrumentenkombination umfassendes Datenmaterial für die Verwendung des M GPS Laptrigger und des M GPS Datalogger bereitgestellt werden.

Fazit

Davon bin ich weit entfernt, ich habe ja nicht mal annähernd die Potentiale dieses beeindruckenden Motorrades ausgereizt. Man kann darüber streiten, ob es Sinn macht, so viel Leistung in ein Naked Bike zu packen. Das Resultat ist aber so dermassen spektakulär, dass sich mir diese Frage nicht stellt. Vielleicht, weil mein Gehirn noch das ganze Adrenalin prozessieren muss, das dieser Ausritt produziert hat. Vielleicht ist die Antwort auf die Frage auch einfach: „Weil es geht!“.

Die Highlights der BMW M 1000 R

  • Schaltnockenmotor der M RR, Leistung 154 kW (210 PS) bei 13.750 U/min und damit 33 kW (45 PS) mehr als in der S 1000 R. Maximales Drehmoment von 113 Nm bei 11.000 U/min (S 1000 R: 114 Nm bei 9.250U/min).
  • Kürzere Sekundärübersetzung (Kettenrad mit 47 statt 45 Zähnen).
  • Kürzere Getriebeübersetzungen des 4., 5. und 6. Gangs.
  • Optimiertes Ansaugsystem mit variablen Ansaugtrichtern für verbesserten Ladungswechsel bei hohen Drehzahlen.
  • Endschalldämpfer aus Titan.
  • M Endurance Kette.
  • Fahrmodi „Rain“, „Road“, „Dynamic“, „Race“ und „Race Pro1-3“ sowie neueste Generation der Dynamischen Traktionskontrolle DTC und DTC Wheelie-Funktion mit 6-Achsen-Sensorbox.
  • Brake Slide Assist zur Unterstützung des Fahrers bei Anbremsdrift
  • Schaltassistent Pro für schnelles Hoch- und Herunterschalten ohne Kupplung. Leichte Umkehrbarkeit des Schaltschemas für den Rennstreckeneinsatz.
  • Launch Control für perfekte Rennstarts und Pit-Lane-Limiter für exakte Geschwindigkeit in der Boxengasse.
  • Hill Start Control Pro für komfortables Anfahren an Steigungen.
  • M Winglets und Windabweiser: Später bremsen und früher beschleunigen sowie mehr Hochgeschwindigkeitsstabilität dank aerodynamischem Abtrieb.
  • Motorspoiler
  • Upside-down-Gabel im „All black“-Design mit einstellbarer Federbasis in Verbindung mit serienmäßigem DDC.
  • Einstellbarer Lenkungsdämpfer.
  • Überfräste Lenkerklemmung.
  • Gegenüber der S 1000 R breiterer Rohrlenker mit gelasertem „BMW M 1000 R“-Schriftzug
  • Lenkerendspiegel.
  • Hauptscheinwerfer mit beleuchtetem M Logo.
  • Kurzer Kennzeichenhalter.
  • Instrumentenkombination mit 6,5-Zoll-TFT-Display, über Freischaltcode nutzbare OBD-Schnittstelle für M GPS Datalogger und M GPS Laptrigger.
  • Leichte M Batterie, USB-Ladebuchse im Heck, leistungsfähige LED-Leuchteinheiten, elektronische Temporegelung und Heizgriffe.
  • M Competition Paket