Das hat man nun davon, wenn man in seinem Podcast unausgegorene Ideen laut ausspricht. Wie eben den Wunsch, eine Tour an die Ostsee zu fahren und dabei hier und da mal auf nicht asphaltiertem Terrain unterwegs sein zu wollen. Und einer unserer aufmerksamen Zuhörer ist Offroad-Instruktor und -Touranbieter und hat eine ebensolche Tour neu im Programm. So kam der Kontakt zu Christian Kampmann zustande. Nach einigen Nachrichten und Telefonaten stand der Plan: ich begleite Christian als Versuchskaninchen und fahre mit ihm die Drei-Tages-Tour nach Mielno. Zu meiner großen Freude hatten auch Ellie und Norman aka The8Hundreds (unsere Podcastgäste aus Folge 61) zugesagt, mit denen ich eh‘ noch eine Runde fahren wollte.

Tag 1: Berlin – Barlinek

Und so trafen wir vier uns an einer Tankstelle am östlichen Berliner Autobahnring an einem relativ kühlen, aber sonnigen Montagmorgen im März. Für die Tour hatte ich meiner F800 GS extra noch neue Heidenau K60 Ranger gegönnt, um auch für gröberes Geläuf gut besohlt zu sein. Lustigerweise hatten Chris, Norman und Ellie ebenfalls auch genau diesen Reifen aufgezogen. Am Material sollte es schon mal nicht scheitern.

Geschnackt, getankt, aufgesattelt, losgefahren. Kurz hinter dem Autobahnring war schon der Einstieg in die Route. Nach einer kurzen Aufwärmung bat ich vorsorglicherweise um etwas Nachsicht bei meinen Mitfahrern. Jetzt bin ich kein Offroad-Anfänger, aber ich war hier mit einem Offroad-Instruktor und zwei Motorrad-Weltreisenden unterwegs, von denen eine auch noch im GS Trophy-Team 2024 ist. Letzteres war nicht zu übersehen, denn Ellie hatte bereits ihr Trainingsbike von BMW Motorrad bekommen, eine nagelneue R1300 GS im Trophy-Trimm mit ihrer Startnummer und ihrem Namen. Schon beeindruckend.

Nach einem aufmunternden „Passt schon, bekommen wir alles hin!“ nahmen wir die ersten Feldwege unter die Räder, die immer wieder durch kurze Ortsdurchfahrten unterbrochen wurden. In einem großen Bogen ging es über Strausberg bis Neuhardenberg. Eine Ecke, die ich bereits sehr gut von meinen Touren in die Märkische Schweiz kenne, aber nicht so offroadlastig wie an diesem Tag. Zwischen Ihlow und Reichenberg hatten wir einen besonders schönen Abschnitt über die Felder mit weitem Blick in die Umgegend.

Nach dem Grenzübertritt nach Polen in Kystrin gabs einen kurzen Tank- und Supermarktstopp und kurze Zeit später machten wir Mittagspause im Wald. Frisch gestärkt konnten wir es auf dem festgefahrenen Waldweg ein bisschen fliegen lassen. Trotzdem musste man immer vorausschauend fahren, denn nach der nächsten Biegung kann auch wieder eine Sandpassage warten. Ich fühlte mich aber sehr wohl und merkte, wie ich viele gelernte Dinge aus den Offroadtrainings wieder abrufen konnte. Fußrastenimpulse, Gewichtsverlagerung, nicht zu fester Griff am Lenker und wie immer weit nach vorne blicken.

Offene Passagen über Felder wechselten sich mit Waldwegen ab. Das Wetter war auch mit uns und trotz der einstelligen Temperaturen den ganzen Tag konnte ich zumindest eine meiner Zwiebelschichten ablegen und die dünneren Handschuhe anziehen. Auf dem Mopped rumturnen hält auch warm.

Hatte ich vor der Tour noch gedacht, dass die 190km bzw. 220km langen Tagesetappen locker machbar wären merkte ich im Verlauf des Nachmittags dass mit jedem Kilometer die Konzentration etwas nachliess. Irgendwann erreichten wir eine tiefe Moraststelle, an der Chris bereits beim Scouten der Tour seine KTM fast versenkt hätte.

Ellie und Norman umgingen die Stelle indem sie durch den Strassengraben und über die ebenfalls morastige Wiese fuhren. Ich überlegte kurz, ob ich es den beiden gleichtun sollte. Entschied mich aber dagegen. Es war meine erste Tour des Jahres, der Fitnesslevel war auch noch nicht auf dem Optimum, hier wollte ich nix riskieren. So fuhr ich mit Chris eine andersrum um den Wald herum und wir sammelten Ellie und Norman an der nächsten Straße wieder ein.

Wir entschlossen uns, den Rest der Strecke bis zum Tagesziel Barlinek auf der Strasse zurückzulegen und trafen dann eine halbe Stunde später in unserem Hotel mit Blick auf den Jezioro Barlinickie ein. Stiefelbier, Abendessen, Benzingespräche, Bettchen. Neuer Tag.

Tag 2: Barlinek – Mielno

Frühstücken, aufsatteln, tanken und bereits in Barlinek bogen wir von der Strasse in den Stadtwald ab. Die morgendliche Aufwärmung durfte wie am Vortag nicht fehlen. Gut gelockert und gut gelaunt nahmen wir den weichen Waldweg in Angriff, auf dem die Blätter lustig vom Vordermann aufgewirbelt wurden. Das erste größere Hindernis ereilte uns kurze Zeit später: drei größere, frisch gefällte Bäume lagen hintereinander quer über dem Weg. Drüber war keine Option, dazu waren die Stämme zu groß und wir hießen nicht Pol Tarrès. Also blieb nur das Drumrum und wir suchten uns einen kleinen Slalomkurs durch den Wald.

Die heutige Route führte zunächst fast direkt nach Norden, später mehr nordöstlich in einer – wenn man weit genug aus der Karte rauszoomte – relativ geraden Linie zum Tagesziel Mielno an der polnischen Ostsee. Der Teufel steckte aber auch hier im Detail. Und ich war wie am Vortag wieder erstaunt, wie wenig Straßenanteil wir auf der Route hatten. Manche Abzweige waren sehr versteckt, so daß Chris als unser Tourguide das eine oder andere Mal auch mal wenden musste, um den Einstieg in den noch kleineren Feldweg oder Single Trail zu finden.

Das Wetter war noch gnädiger mit uns als am Vortag. Es herrschten immer noch einstellige Temperaturen, aber die Sonne strahlte den ganzen Tag vom stahlblauen Himmel. Wir hatten auch Glück, dass es in den Vortagen relativ wenig geregnet hatte. Es galt zwar immer wieder morastige Stellen zu queren und die ein oder andere temporäre Wasserstelle zu durchfahren, aber es war auch für mich machbar. Und manchmal muss man sich einfach nur trauen, den anderen hinterher zu fahren. Auch am heutigen Tag gab es für mich dadurch auch sehr positive Aha-Momente.

Am Jezioro Stubnica machten wir Mittagsrast, genossen die Sonne und natürlich machten wir noch ein paar Poser-Aufnahmen.

Für mich war dies die erste, mehrtätige Offroad-Tour und ich merkte, dass man im Vergleich zu einer reinen Landstrassen-Tour von einem sehr viel geringerem Stundenschnitt ausgehen muss. Kann man auf der Landstrasse von einem 60 km/h-Schnitt ausgehen, sind das offroad locker nur die Hälfte. Aus einer 220km Tagesetappe muss man dann statt von 4h Fahrzeit eher von 7,5h ausgehen. Zumal man auch von unvorhergesehenen Hindernissen ausgehen muss. Wie diesem hier:

Kamen wir um den einen Baum noch herum und über den nächsten drüber, war der Feldweg im weiteren Verlauf unpassierbar. Also hieß es wieder umdrehen und eine neue Route suchen oder schauen, wann man in die alte Route wieder einsteigen kann. Daher sollte man immer etwas Puffer mit einrechnen, vor allem jetzt im Frühjahr, wo es früher dunkel wird.

Nach einem spannenden aber auch anstrengenden Tag erreichten wir unser Tagesziel in Mielno nach 18:00 Uhr. Den Wellnessbereich des Hotels besuchten wir dann doch nicht mehr, vielmehr gönnten wir uns nach einer heißen Dusche einen leckeren Burger und liessen den Tag entspannt ausklingen.

Tag 3: Mielno – Berlin

Der dritte Tag war als Rückreisetag über die Landstrasse nach Berlin geplant. Ganz ohne Offroadeinlage sollte er aber doch nicht auskommen. Ellie und Norman erwähnten am Vorabend, dass sie bereits vor 5 Jahren mal in der Gegend gewesen sind und eine Cross-Strecke entdeckt hatten, die sie gerne nochmal anfahren wollten.

Ein paar Fahrminuten hinter Mielno bogen wir dann in einen matschigen Feldweg ein, der zur noch matschigeren Cross-Strecke führte. Hatte ich mich schon auf der Zufahrt festgefahren schaffte Norman den Stunt der Tour. Mit Crossmo über die Strecke fräsend tauchte auf einmal das Vorderrad ab und brachte die Fahrt abrupt zum Stillstand.

Gottseidank verletzte er sich nicht, nur das Bergen des Motorrads war eine Aufgabe für sich. Letztendlich gelang es mit Seil und Umlenkrolle das Gefährt zu bergen. Bevor es weitergehen konnte, mussten erstmal diverse Kilo polnischen Mutterbodens vom Mopped entfernt werden. Zurück auf der Landstrasse schmissen auch alle vier Motorräder lustig Lehmbrocken aus den Reifenprofilen.

Diverse Landstrassenkilometer später erreichten wir in der Gegend um Chojna für mich wieder bekanntes Gebiet. In Hohenwutzen tankten wir nochmal günstig, bevor sich hinter der Grenze in Bad Freienwalde unsere Wege trennten und wir uns auf die letzte Etappe nach Hause machten.

Fazit

Offroad reisen hat einen ganz anderen Reiz als nur auf der geteerten Landstrasse unterwegs zu sein. Meine bisherige Touren rund um Berlin enthielten hier und da auch Offroad-Passagen, aber nicht in dem Maße, wie wir es auf dieser Tour erleben durften. Kilometerlange Etappen durch den Wald und über die Felder waren neu für mich. Meine bisherigen Offroadtrainings boten mir eine gute Grundlage für diese Tour und ich war sehr froh, solch erfahrende Mitreisenden zu haben, bei denen man sich das eine oder andere abschauen konnte. Um diese Tour sicher zu fahren und auch die langen Offroadetappen einigermassen ermüdungsfrei zu meistern sollte man auf jeden Fall Fortgeschrittenen-Level haben.

Wer von Euch Lust bekommen hat, diese Tour auch zu fahren: schaut euch bei Chris auf der Seite um, dort könnt ihr nicht nur diese Tour sondern auch vorbereitende Trainings buchen.

Ich bin dann mal los, meine GS kärchern!