Brice Hennebert kenne ich seit dem Bike Shed Event in Paris, damals firmierte er noch mit seinem Kompagnon unter Kruz Company. Mittlerweile hat er seine eigene Custom Garage Workhorse Speed Shop und hat schon einige spektakuläre Umbauten rausgebracht. Nachdem er 2019 die Appaloosa V1.0 für die Sultans of Sprint gebaut und sie anschliessend für das Baikal Mile Ice Festival in die Appaloosa V2.0 verwandelt hatte, nahm er aktuell ein neues Vorhaben ins Visier: den Bau zweier Dreambikes auf Basis der Indian FTR.

Komplett gezeigt werden die Bikes noch nicht. Aber das folgende Interview mit Brice gibt schon Einblicke in die Ideen und die Umsetzung, garniert mit ein paar Detailphotos.

(Disclaimer: das Interview hat Indian Motorcycle geführt)

Es ist eine ganze Weile her, seit ihr nach der Teilnahme am Baikal Mile Ice Speed Festival mit der Appaloosa V2.0 aus Russland zurückkamt. Sind die Erinnerungen noch lebendig oder schon zum Traum verblasst?

Oh ja, sie sind sehr präsent. Durch den Lockdown war seit der Rückkehr aus Russland eine Menge Zeit vergangen, in der ich viele meiner Freunde nicht gesehen habe. Jedes Mal, wenn ich dann einen Freund wieder treffe, ist der Trip nach wie vor ein grosses Thema. Die Erinnerungen werden also regelmässig abgerufen und bleiben dadurch sehr lebendig.
Und als Appaloosa nach der Wiederöffnung der russischen Grenzen endlich wieder in Belgien bei mir in der Werkstatt stand, kamen beim Auspacken und Wiederzusammenbauen des Motorrads all die Erinnerungen natürlich auch wieder hoch.

Der Lockdown hat ja bei uns allen die Arbeitsweise verändert, du warst trotzdem mit brandneuen Builds auf Basis der FTR beschäftigt. Was sind die Konzepte hinter dem jeweiligen Projekt?

Das Konzept des ersten Bikes, Black Swan, entstand schon vor einigen Jahren, als ich beim Wheels & Waves im Rennen gegen die von den Young Guns gebaute Scout „Miracle Mike“ antrat. Die Vision war, ein echtes Rennmotorrad für den Strasseneinsatz zu bauen. Also wirklich sportlich, gebaut wie eine GP-Maschine. Es ist stark inspiriert von den Superbikes der 90er Jahre, alles aus Carbon. So etwas entsteht, wenn einem der Auftraggeber völlige Freiheit lässt. Vielleicht werde ich dieses Motorrad sogar in Kleinserie produzieren. Es ist ziemlich einzigartig.

Das zweite FTR-Projekt basiert auf den AMA SBK-Rennmaschinen und Rallye-Autos der 80er Jahre. Black Swan und das FTR AMA-Projekt sind für zwei Brüder. Der Auftraggeber der Black Swan hat mich gebeten, ein zweites Modell für seinen Bruder zu entwerfen. Farbenfroh, aber scharf wie ein Kriegsgerät. Die einzige Einschränkung war, dass es eine Martini Racing-Lackierung haben sollte.

Nach ein wenig Recherche und Brainstorming haben wir den Lancia Delta HF zur Basisinspiration auserkoren. Ich habe das mit ein bisschen von den frühen Bol d’Or-Rennmaschinen und etwas Muscle-Bike-Aroma gemischt. Die aufrechte Sitzposition der ursprünglichen FTR bleibt aber erhalten, weil sie einfach so gut funktioniert.

Bei der Appaloosa V1.0 und V2.0 hattest du einige grossartige Partner, die dich mit Rat, Komponenten, Fertigungs- und Tuning-Fähigkeiten unterstützt haben. Wer stand dir bei den FTR-Builds zur Seite?

Alle von damals und sogar noch einige mehr. Ich war ein paar Tage nach der Baikalmeile in der Akrapovič-Fabrik, um am Auspuff der Black Swan zu arbeiten. Ich war gerade über die Landesgrenze, um für ein paar Stunden nach Hause zu fahren, da wurde sie kurz darauf geschlossen. Das war knapp.

Öhlins hat mir ein komplettes Set individueller Komponenten für die Black Swan geschickt. Ziemlich beeindruckendes Material, muss ich sagen. Beringer Brakes ist auch bei beiden Motorrädern am Start mit ihrem neuen 4+ System. Super leicht, super edel.

Ausserdem arbeite ich mit Vinco Racing in Holland. Tim fertigt all die CNC parts für beide FTRs. Und das sind eine ganze Menge. Mein Kumpel Robert Colyns von 13.8 Composite kümmert sich um die Herstellung aller Carbonteile.

An der Black Swan werden wir Rotobox-Carbonfelgen montieren – wahre Kunstwerke! Liteblox Deutschland hat eine massgeschneiderte Kohlefaser-Batterie für das Bike hergestellt, Cerakote Nl übernahm all die Beschichtungsarbeiten mit schwarzer Keramik. Jeroen von Silver Machine fertigte den Sitz. Christophe von Forame design hat die gesamte 3D-Modellierung aus dem Clay-Scan gemacht.

Der FTR AMA Radsatz ist der totale Eyecatcher. Dazu habe ich mit Fabio von JoNich Wheels in Italien zusammengearbeitet. Das Design basiert auf seinen Rush Wheels, aber ohne die Carbon-Flanken. Sie sind aus Billet Aluminium gefräst. Das Design erinnerte mich an die ‚Turbo Fans Wheels‘ der Renn-Lancias – also die perfekte Wahl. Komplettiert werden sie durch Dunlop GP Reifen mit diesem irren 200er Hinterrad.

Ihr seht, hinter diesem Motorrad stehe bei weitem nicht nur ich.

Wir dürfen zu diesem Zeitpunkt noch nicht allzu viel verraten, aber aus den Bildern geht hervor, dass die Gestaltung der Karosserie ein ziemlich intensiver Prozess zu sein scheint. Kannst du uns die Schritte von der Visualisierung und den Skizzen bis hin zum fertigen Bodywork erläutern?

Ja, es ist ein weiter Weg. Bei der Black Swan waren die groben Schritte folgende:

Zuerst vorläufige Skizzen und eine Zusammenstellung von Referenzbildern für die Details. In diesem Stadium zeichne ich die Hauptlinien des Motorrads, die Gesamterscheinung. Das habe ich alles zu Benny von Axesent in Japan geschickt, der ordentliche Renders daraus gemacht hat in mehreren Versionen, mit realistischem Licht und einigen Ideen für die Lackierung.

Als ich damit zufrieden war, begann ich mit dem 3D Modelling. Ich modellierte aus Ton im Massstab 1:1 direkt auf der FTR, aber nur auf einer Seite. Dieser Schritt dauerte etwa 6 Wochen, bis die endgültige Form gefunden war.

Dann habe ich das Motorrad in 3D gescannt, um mit der CAD-Modellierung zu beginnen. Der Scan diente dabei als Basis, um sicher zu sein, dass die Proportionen stimmen, aber es gab immer Freiraum für neue Ideen. In der Zwischenzeit arbeitete ich an der Symmetrie, den Details, den Verbindungs- und Montagebauteilen. Alles in allem, weitere zwei Monate Arbeit.

Der nächste Schritt lag dann bei 13.8 Composites. Zunächst druckten sie die gesamte Karosserie anhand der CAD-Modelle in 3D aus. Diese Drucke dienten als Vorlage für die Herstellung der Formen, in denen die Carbonteile entstehen.

Nachdem das erledigt war, galt es, letzte Anpassungen an all den Teilen vorzunehmen, um sicherzustellen, dass alles perfekt zusammenpasst.

Bei der AMA FTR hingegen habe ich das Design direkt im CAD begonnen – basierend auf einem 3D-Scan des FTR Chassis. Anschliessend wurden alle Bodyparts 3D-gedruckt und mit Carbon verstärkt.

Ist das ein Prozedere, das du vorher schon mal angewendet hast? Du scheinst wirklich heiss darauf zu sein, bei jedem Projekt etwas Neues auszuprobieren und dein Können zu erweitern.

Das war etwas völlig Neues für mich, zumindest in diesem Umfang. Ich habe vorher schon mit Clay gearbeitet, aber nicht in dieser Grössenordnung und Komplexität.

Das Bodywork wird den Leuten sicher als erstes ins Auge springen, wenn sie die Motorräder sehen, was gibt es sonst noch an den Bikes zu entdecken?

Bei der Black Swan wiegt das gesamte Bodywork nur 1,8 kg. Ich habe mich entschieden, ein paar Zubehörteile wie einen Quick Shifter und Power Commander zu montieren. Die Idee ist, das Motorrad zunächst mit der Standardleistung in der Rennkonfiguration (Position, Karosserie usw.) zu testen. 123 PS sind für den heutigen Strassengebrauch in Europa ausreichend. Und wenn der Besitzer des Motorrads mehr Leistung braucht, dann werden wir an den Motor gehen.

An der AMA FTR sind zwei Aluminiumtanks verbaut, um 14 Liter Tankvolumen zu erreichen, wobei sich einer der Tanks unter dem Sitz befindet. Ausserdem wurde der Ansaugtrakt neu gestaltet und in 3D gedruckt, um Platz für DNA Performance-Luftfilter zu haben. Fahrwerksseitig wurde das Heck modifiziert, um ein Duo-Shock-System von Öhlins zu montieren.

Die Planung, wann und wie die Bikes enthüllt werden, steht noch nicht fest, klar aber ist: sie werden mächtig Eindruck hinterlassen.

Ja, da der Veranstaltungskalender in den letzten Monaten nur schwer vorhersehbar war, müssen wir da flexibel sein. Ich kann es wirklich kaum erwarten, die Resonanz auf diese beiden Bikes zu sehen.

Folgt Brice auf Instagram unter @workhorse_speedshop und Facebook unter @workhorsespeedshop.