Wenn Dinge mehr als einmal stattfinden, sind sie doch eine Tradition, oder? Dieser Logik folgend hat die zweite Ausgabe des Reload Land – Festival für Elektromobilität eine Tradition begründet: am letzten Wochenende versammelten sich wieder im Craftwerk Berlin zahlreiche Hersteller von Elektro-Zweirädern, darunter große Marken wie Zero Motorcycles oder BMW Motorrad, aber auch kleine Anbieter wie Stilride oder Pohlbock, die zum Teil noch vor der Markteinführung stehen und auf dem Festival ihre Prototypen oder Vorserienfahrzeuge zeigten. Bereits wie im Vorjahr entstand dadurch eine großartige Bandbreite – vom kleinen 45 km/h Scooter bis hin zum Drehmoment-Dampfhammer war alles dabei.

Erweitert wurde das ganze durch mehrere E-Restomods auf vier Rädern: ein auf Tesla-Technik umgebauter VW Käfer, ein elektrifizierter 2CV, der seine eigenen Solarpanels auf dem Dach mitführt sowie ein Landrover Defender, der nicht mehr dieselt, sondern nur noch leise surrt. Auch wenn es eher ein Nischenthema ist, stellen Umbauten wie diese einen deutlich nachhaltigeren Ansatz zur Elektromobilität dar als ein komplett neues Auto zu bauen.

Ein paar Gedanken zu den Herstellern und den Dingen, die mir aufgefallen sind:

Stilride

Das schwedische Startup Stilride feierte die Weltpremiere ihres E-Rollers auf dem Reload Land. Auf den ersten Blick fällt die ungewöhnliche Optik der Karosserie auf: sie entsteht mittels einer patentierten Falt- und Biegetechnik aus Stahlblechen, der Vergleich zu Origami wurde mehrfach herbeigezogen. Erzielt wird dadurch eine hohe Steifigkeit des Karosserie bei geringem Gewicht. Der Antrieb soll erfolgen durch ein 5.1 kWh-Aggregat mit einer Spitzenleistung von 8 kWh. Die Spitzengeschwindigkeit soll 100 km/h betragen, die Reichweite 120 km. Das Stilride 1 hat bereits einen Designpreis gewonnen, wird kommendes Jahr ausgeliefert und wenn man eines haben will, muss man 15.000 € mitbringen.

Second Ride

Die Berliner Jungs von Second Ride bieten einen Umbausatz für diverse Simson-Modelle wie den Spatz, die S51 oder die Schwalbe an. Hierbei wird der originale Zweitaktmotor gegen einen Elektromotor getauscht, die Batterie wird unter der Sitzbank angebracht, der Rest bleibt nahezu unangetastet. Sogar der originale Gasgriff kann am Roller bleiben. Der ganze Umbau kann innerhalb von 2-3 Stunden erfolgen und es werden nur ein paar Werkzeuge benötigt. Mit überschaubarem Materialeinsatz kann so einem alten Gefährt neues Leben eingehaucht werden – und dann ist es auch egal, ob der Spender einen Motorschaden hat.

Die Standard-Reichweite beträgt 50 km, kann aber auf 70 km erhöht werden. Beim Ladegerät gibt es ebenso zwei Optionen mit 400W (Standard) und 1.000W. Der Gesamtpreis für die Umbaukits beträgt 2.990 €, dafür bekommt man einen kompletten Umbausatz mit allen Modulen vormontiert, das TÜV-Gutachten für die Zulassung sowie das Akku-Ladegerät.

Pohlbock

Aus dem Schwarzwald reiste die sympathische Crew von Pohlbock an. Aus dem Motocross-Bereich kommend war es deren Ziel eine Basis zu finden, auf der sie ihren Sport weiterführen konnten auch ohne Lärm-Emissionen. Entstanden ist ein sehr drahtiges Motorrad, welches in den Geschmacksrichtungen Enduro oder Supermoto zu haben ist. Viel Liebe zum Detail steckt in dem Bike: die Öhlins-Federgabeln sind ein visuelles Statement davon, aber viele unsichtbare Elemente sind auch enthalten: so hat Pohlbock ein eigenes Batterie-Management-System programiert, da die am Markt befindlichen Komponenten deren Ansprüchen nicht genügten.

Mit einer Leistung von 30 kW und einem Gewicht von 125kg schreit das Paket nach Spaß! Die 6,3 kWh der Batterie sollen 70 bis 120 km Reichweite ermöglichen, je nachdem wie hart man den Pohlbock ran nimmt.

Energica

Mit Energica hatte ich bislang überhaupt keine Berührungspunkte, so bot sich hier der Anlass, sich die Produkte des italienischen Herstellers näher anzuschauen. Auf dem Silent Ride am Samstag Abend konnte ich die Energica Experia ausführen – deren Modell im Reise-Enduro-Segment. Sie verfügt über die größte Batteriekapazität aller E-Motorräder mit 22,5 kWh Höchstleistung (19,6 kWh Nennleistung). Auch wenn der Antrieb laut Hersteller abgespeckt hat, bewegt man hier mit 260kg mächtig Masse. Entsprechend bietet die Maschine auch einen Rangier-Modus vorwärts und rückwärts an, damit man das Trumm nicht mühsam schieben muss. Aber wie bei einer GS-BMW konnte ich auch hier feststellen: wenn sie rollt, rollt sie. Gut ausbalanciert konnte ich sie durch den Berliner Abendverkehr zirkeln. Mit einer Spitzenleistung von 102 PS , einer Dauerleistung 80 PS (60 kW) und einem Drehmoment von 115 Nm ist man reissenduromässig adäquat motorisiert, der Sprint von 0-100 km/h ist mit 3,5 Sekunden schon spassig.

RGNT

Der Preis für die schönste Umsetzung eines Elektromotorrades im klassischen Stil geht aus meiner Sicht an den schwedischen Hersteller RGNT. Wir hatten ja bereits das Vergnügen, Eric von RGNT im letzten Jahr auf dem Meet the Makers für unseren TwinSpark Podcast zu interviewen. Leider konnte ich damals keine Probefahrt machen, das holte ich aber nun nach.

Die Sitzposition passte für mich perfekt und nach einer kurzen Einweisung in die – in diesem Fall sehr intuitive – Bedienung summte ich vom Hof. An der rechten Armatur kann man an einem kleinen Schalter die drei Modi einstellen, im Boost-Modus liefert der Motor 21 Kw am Riemenantrieb ab. Sie beschleunigt schön sportlich, aber gentlemanlike.

Bei 120 km/h endet die Beschleunigung, aus der 9,5 kWh Batterie soll eine Reichweite von bis zu 149 km gespeist werden. Um die Batterie von 20 auf 80% zu laden muss man 3h veranschlagen.

Die Qualität hat auch hier ihren Preis: ab 14.495 € geht der Fahrspaß los.

Custom Exhibition

Zusätzlich zu den diversen Ausstellern bereicherte eine Custom Bike-Ausstellung die diesjährige Reload.

The beauty is in the detail: die Hookie.Co Tardigrade war zum ersten Mal in Europa öffentlich zugänglich (und ihr könnt sie hier kaufen), geile Kreationen von Bizarro waren zu sehen und ein sehr schöner Umbau eine Black Tea Motorcycles von Loose Screw mit einer tollen Lackierung von Vaim.me. Die Lightwire von JvB Moto steht eh über allem. Und als Kirsche auf der Torte stand auch die RGNT in der Ausstellung, die auf der Arsunda Speedweek den Weltrekord für elektrische angetriebene Motorräder auf Eis gebrochen hat.

Eines wurde mir wieder einmal an dem Wochenende klar: die Zukunft ist elektrisch, vielfältig und hat Bums. Ich freu mich drauf.