Motorradfahren in den Alpen ist weit mehr als das Abspulen von Kehren. Es ist die Kombination aus Konzentration, Freiheit und der rauen Schönheit der Berge. Doch die wahre Magie entsteht erst, wenn wir den Motor abstellen und bleiben. Es gibt diesen Moment am späten Nachmittag, wenn der letzte Touri-Bus ins Tal rollt und die Straßen plötzlich leer sind. Die Luft wird kühler, die Schatten länger, und das einzige Geräusch ist das leise Knistern des abkühlenden Motors. Genau dann, auf über 2.000 Metern Höhe, beginnt das Abenteuer einer Motorradtour mit Übernachtung in einer Alpenhütte. Diese besondere Stimmung, wenn die Sonne hinter den Gipfeln verschwindet und man mitten in der Stille der Berge steht, macht die Reise unvergesslich.
Hier sind sechs Orte, an denen die Verbindung zwischen Motorrad und Bergwelt auf besondere Weise spürbar wird.
Sustenhospiz: Kaminwärme im Nebel und Gletscherblick am Morgen
Auf dem Weg in den französischen Seealpen war das Sustenhospiz der Treffpunkt für unsere fünfköpfige Truppe, da wir aus verschiedensten Richtungen anreisten. Allesamt nahmen wir die westliche Auffahrt von Wassen aus. Selbst Nässe und Nebel konnten uns das Tagesfinale nicht trüben, obwohl uns nur die Vermutung blieb, wie der Fernblick hätte aussehen können. Durch den kurzen Gipfeltunnel hindurch – übrigens genau die Grenze zwischen den Kantonen Uri und Bern – hätten wir fast die Auffahrt linker Hand zum Sustenhospiz (2265 m. ü. M.) verpasst.






Die Belohnung? Das Motorrad abstellen und die nassen Stiefel vor den offenen Kamin zum Trocknen stellen, während die Kehle mit dem ersten Bier befeuchtet wird. Der Wirt bereitete uns dann eigenhändig eine üppige Grillplatte an der offenen Feuerstelle zu, die gut und gerne auch zehn ausgewachsene Männer satt gemacht hätte.
Wir nächtigen in den einfachen Mehrbett-Lagern mit Gemeinschaftsbad, es gibt aber auch Komfortzimmer mit eigenem Bad im Zimmer.
Das gemütliche Frühstück am nächsten Tag bestand vor allem aus vielen lokalen Käsesorten, sehr grosszügig aus dem Rad geschnitten. Zu unserem Glück hatte sich der Regen und der Nebel verzogen und wir starteten unseren Tourtag mit der Talfahrt Richtung Innertkirchen durch eine traumhafte Alpenkulisse.
Das Hospiz ist von Passöffnung bis -schließung (ca. Juni bis Oktober) geöffnet. Die Übernachtung ist einfach, aber gemütlich: vom Komfortzimmer (Du/WC, CHF 90.- inkl. Frühstück) bis zum Lager (CHF 45.- inkl. Frühstück).
- Zum Sustenhospiz: sustenpass-hospiz.ch
- Unsere Tourberichte: Le Tour des Grandes Alpes – Tag 2 | Le Tour des Grandes Alpes – Tag 3
Flüelahospiz: Die Symbiose mit der Maschine und die kalte Höhenluft
Den Flüelapass (2383 m. ü. M.) erreichten wir am Abend des ersten Tourtages unserer Wochenendtour 2016. Auch wenn wir schon über 400 Tageskilometer hinter uns hatten, hier weckten die schönen Kombination von längeren Passagen und engen Spitzkehren nochmal alle Lebensgeister. Dem Schaltassistent der S 1000 RR verlangte ich auf den knapp 13 Kilometern vom Ortsausgang Davos bis zur Passhöhe nochmal alles ab. Beim Ankommen vor dem Flüelahospiz stellten wir die Maschinen ab, und als sie leicht knisternd abkühlten, ertappten wir uns bei dem Gedanken, gleich nochmal runter- und wieder hochzufahren.






Nach dem langen Fahrtag freuten wir uns auf die gutbürgerliche Speisen im Restaurant, hausgemachte Rösti und Wildpfeffer aus eigener Jagd. In den rustikalen, holzgetäfelten Zimmern sanken wir müde und satt in die Kissen. Als ich am kommenden Morgen früh um 6:00 Uhr aufwachte machte ich noch einen kleinen Spaziergang und genoß den Blick auf den Schottensee und die umgebenden Berggipfel, bevor wir wieder die Motorräder sattelten. Auch der zweite Teil des Flüelas sollte keine Enttäuschung werden. Im oberen Teil noch das unbewaldete Hochtal mit weiten Kehren wird er im unteren Teil kurz vor Susch etwas engmaschiger.
Das Hospiz, das nur von Mitte Mai bis Mitte Oktober geöffnet ist, bietet in dieser kargen Hochgebirgslage sechs Zimmer (ab CHF 65.- bis CHF 85.- inkl. Frühstück) und ein Lager (CHF 45.-).
- Zum Flüelahospiz: flueela-hospiz.ch
- Unser Tourbericht: Die Alpen aus Sicht einer BMW S 1000 RR
Tibethütte am Stilfser Joch: Abendruhe nach dem Pass-Trubel
Das Stilfser Joch ist mit Sicherheit eines der prominententesten Alpenpässe und in der Hochsaison vor allem am Wochenende überfüllt. An freies Fahren ist hier kaum zu denken. Mann kann das System aber ausdribbeln, wenn man antizyklisch fährt. Wie wir 2022 auf unserer Rückfahrt vom Gardasee. Als Abends die restlichen Motorradfahrer, Autos und Wohnmobile ins Tal zuckelten, nahmen wir die Südrampe des Stelvio von Bormio kommend unter die Räder zu nehmen und kamen kurz vor 19:00 Uhr auf der Tibethütte an. Freie Bahn mit Marzipan.






Beim sehr leckeren Abendessen mit typischer Südtiroler und Veltliner Küche. genossen wir den sensationellen Ausblick auf den Ortler aus dem Halbrund des Restaurants. Nach dem Absacker sackten wir in die gemütlichen Betten unseres modern eingerichteten Vierbettzimmers.
Das schöne am nächsten Morgen ist auch hier die Stille. Morgens den Kopf aus dem Zimmerfenster zu strecken und – nichts – zu hören. Ausser dem Pfeifen eines Murmeltiers in der Ferne. Na gut, irgendwann drang das Auspuffwummern unserer BMW Boxer die Luft und wir genossen die freie Fahrt auf den Spitzkehren im frühen Morgenlicht. Bis Trafoi hatten wir kaum Verkehr auf dem Stelvio, wann hat man das schon mal erlebt?
Die Hütte auf 2800 Metern Höhe (geöffnet Ende Mai bis Ende Oktober) ist ein Magnet für Biker, die moderne Zimmer (Doppel- bis Vierbettzimmer, alle mit Du/WC) ab EUR 75,00 inkl. Frühstück buchen können. Kleiner Tipp für Elektro-Motorradfahrer: an der Hütte befindet sich eine Ladestation mit Typ2-Lader.
- Zur Tibethütte: tibet-stelvio.com
- Unsere Tourberichte: Alpenblitz 2022 – Tag 6 | Alpenblitz 2022 – Tag 7


























































