Kranjska Gora ist der perfekte Ort für den Start in einen Tourtag. Nicht nur, weil man hier gut schläft und ordentlich frühstückt, sondern weil direkt hinter dem Ortsausgang die Nordrampe des Vršič-Passes beginnt. Kein Einrollen, kein Vorgeplänkel – einfach direkt rein in die 50 Kehren, viele davon noch mit dem originalen Kopfsteinpflaster aus Zeiten der k.u.k. Armee. Der Pass wurde im Ersten Weltkrieg von russischen Kriegsgefangenen gebaut – ein Mahnmal und eine Kapelle erinnern an diese Geschichte.
Oben auf 1.611 Metern angekommen, eröffnet sich der Blick ins Soča-Tal. Und ab da wird’s wirklich spektakulär. Die Straße schlängelt sich in sanften Bögen dem türkisfarbenen Fluss entlang – glasklar, eiskalt und landschaftlich schwer zu toppen. Wer hier durchrauscht, macht was falsch. Wir halten gefühlt alle paar hundert Meter an, schießen Fotos, lassen die Drohne fliegen. Die G/S wird kurzerhand direkt ins Flussbett gestellt – alles für den Shot.
Mit der neuen R 12 G/S bringt BMW Motorrad ein Modell auf die Straße – und ins Gelände –, das sich ganz bewusst an der Ikone R 80 G/S orientiert. Vor 45 Jahren hat die Original-G/S ein neues Segment eröffnet: große Reiseenduros mit Boxer, Kardan und Offroad-Talent. Jetzt rollt mit der R 12 G/S eine moderne Interpretation an den Start, die diesen Spirit aufnimmt, ohne sich nostalgisch im Design zu verlieren.
Optisch ist das sofort klar: Der hochgezogene Kotflügel, das 21-Zoll-Vorderrad mit Speichenfelge, die flache Solositzbank und die reduzierte Front mit kleinem Cockpit-Element erinnern mehr an Rallye- oder Scrambler-Bikes als an die aktuelle GS-Linie. Wer das Modell in Light White mit roter Sitzbank und blauen Kniepads sieht, weiß sofort, wohin die Reise geht – zumindest optisch zurück ins Jahr 1980. Doch unter dem Retro-Blech steckt aktuelle Technik.
Boxer mit Charakter
Angetrieben wird die neue G/S vom bekannten luft-/ölgekühlten Boxer mit 1.170 cm³, der 109 PS bei 7.000 U/min und ein maximales Drehmoment von 115 Nm bei 6.500 Touren liefert. Das Aggregat ist kein Neuling, sondern bewährt und bekannt aus der R 12 und R 12 nineT – kernig im Charakter, zuverlässig im Auftritt. Geschaltet wird über ein Sechsganggetriebe, die Kraft geht über Kardan ans Hinterrad. Optional gibt’s den Shift Assistant Pro für kupplungsfreies Rauf- und Runterschalten – praktisch auf der Straße, entlastend im Gelände.
Fahrwerk für die Schotterstraße
Das Fahrwerk ist eindeutig auf Offroad-Fähigkeit ausgelegt: Vorn arbeitet eine voll einstellbare Upside-down-Gabel mit 45 mm Standrohrdurchmesser und satten 210 mm Federweg. Hinten gibt’s den bekannten Paralever mit einem ebenfalls voll einstellbaren Federbein und 200 mm Federweg. Damit lässt sich was anfangen – nicht nur auf der Schotterstraße. Bodenfreiheit ist mit 240 mm serienmäßig schon ordentlich, das optionale Enduro Package Pro bringt sogar 255 mm mit. Im selben Paket enthalten: ein 18-Zoll-Hinterrad, griffigere Enduro-Fußrasten, ein erhöhter Lenker und Handprotektoren. Vorn rollt die G/S immer auf einem 21-Zoll-Rad mit 90/90er Bereifung, hinten serienmäßig auf 17 Zoll, optional eben auf 18.
Ergonomie und Sitzposition
Die Solositzbank ist flach, gerade und sitzt serienmäßig auf 860 mm Höhe. Mit dem Enduro-Paket kommt man auf 875 mm, wer’s sportlicher oder größer mag, nimmt die Rallye-Sitzbank mit 880 bzw. 895 mm Sitzhöhe. Für alle, die nicht allein unterwegs sind, gibt’s das Pillion Package mit Soziussitz, -rasten und Gurt. Die Sitzbank lässt sich mit wenigen Handgriffen tauschen – je nach Einsatzzweck oder Laune.
Elektronik und Ausstattung
Elektronisch ist die R 12 G/S gut aufgestellt, aber nicht überfrachtet. Serienmäßig sind drei Fahrmodi an Bord: Rain, Road und Enduro. Wer das Enduro Package Pro wählt, bekommt zusätzlich den Modus Enduro Pro. Hier sind Traktionskontrolle und ABS auf ein Minimum reduziert, um maximale Kontrolle im Gelände zu ermöglichen. Dazu kommt serienmäßig die dynamische Traktionskontrolle DTC und die Motor-Schleppmomentregelung MSR. Das ABS Pro funktioniert auch in Schräglage, was beim Bremsen auf losem Untergrund ein klarer Sicherheitsgewinn ist.
Die Sitzposition ist für den stehenden Offroadeinsatz optimiert. Der Lenker lässt sich drehen und per Riser erhöhen, Fußrasten und Bremshebel sind offroadgerecht konturiert. Der Tank fasst 15,5 Liter, ist aus Stahl gefertigt und ergonomisch so geformt, dass er auch im Stehen guten Knieschluss bietet.
Beleuchtung gibt’s serienmäßig per LED, inklusive markanter X-Signatur im kleinen Rundscheinwerfer. Wer mehr will, bestellt das adaptive Kurvenlicht „Headlight Pro“ dazu. Ebenfalls optional: ein digitales Mini-TFT-Display statt des klassischen Rundinstruments, das serienmäßig mit analoger Anzeige und kleinem Digitalfeld kommt.
In Sachen Ausstattung und Individualisierung hat BMW wie gewohnt tief in die Zubehörkiste gegriffen. Es gibt ein Comfort-Paket mit Heizgriffen, Tempomat und Berganfahrhilfe, diverse Gepäcklösungen, Schutzteile, Styling-Optionen, Smartphone-Integration – kurz: Man kann sich die G/S sehr individuell zusammenstellen, wenn man möchte.
Farben und Varianten
Erhältlich ist die neue BMW R 12 G/S in drei Farbvarianten: klassisch in „Night Black matt“, auffällig nostalgisch in „Light White“ mit roten und blauen Akzenten, oder edel dreifarbig in der Option 719 „Aragonit“, mit rot-schwarzem Rahmen und Shadow-Applikationen. Persönlich bin ich bei der klassischen Light White-Variante. Das Aragonit sieht mir bischen nach Moto Guzzi Stelvio aus.
Fazit
Die neue BMW R 12 G/S ist mehr als ein Designzitat. Sie bringt die DNA der R 80 G/S in eine moderne Form, mit echtem Offroad-Potenzial und einem charakterstarken Boxer. Sie bietet mehr Substanz als die bisherige Urban G/S und dürfte für alle spannend sein, die eine Retro-Enduro suchen, die nicht nur glänzt, sondern auch fährt.