Die Diskussion am letzten gemeinsamen Abend unserer Tour drehte sich unter anderem um das Wetter. Drei Tage hatten wir sehr viel Glück gehabt, aber für den Sonntag waren sich alle Wetter-Apps auf allen anwesenden Smartphones einig: spätestens ab 11:00 Uhr gibt es auf die Mütze, Gewitter galore. Da wir nicht von unserer ursprünglichen Route über die Großglockner Hochalpenstrasse abweichen wollten, einigten wir uns auf folgenden Plan: Aufstehen um 06:00 Uhr, Abfahrt um 06:30 sowie Straffung der Route durch das Pustertal durch Auslassen der Pustertaler Höhenstrasse.
Das mit dem frühen Aufstehen haben wir fast hinbekommen, zumindest rollten wir um kurz vor sieben Uhr morgens vom Hof. Nach einem letzten Blick auf die Drei Zinnen ging es talwärts Richtung Toblach, wo morgendliche Nebelschwaden gepaart mit dem morgendlichen Sonnenschein ein William Turner-eskes Bild zeichneten. Nach dem lausigen Kaffee im Hotel am Morgen machten wir an der ersten österreichischen Tankstelle einen Frühstückshalt und kamen in den Genuß von frischen Brezeln. Und deutlich billigerem Sprit als in Italien.
Der Weg durch das Pustertal war relativ ereignislos, aber wir kamen gut voran, da um die Uhrzeit kaum Verkehr da war. Pünktlich um 9 Uhr passierten wir das Mauthäuschen in Heiligenblut. Vierundzwanzigeurofünfzig wollen die haben. Für einmal über den Pass drüberrutschen. Aber wir wollten das ja so. Dafür nutzten wir auch alle zur verfügenden Straßen, am Kreisverkehr (echt jetzt) ging es erst mal links den Berg die Stichstrasse hoch Richtung Großglockner. Oben angekommen konnten wir den Rest eines Gletschers begutachten und das womöglich häßlichste Parkhaus in den Alpen. Daneben hatte ein Autohersteller ein Automuseum hingestellt, warum auch immer. Die Gebirgsbäche und kleinen und größeren Wasserfälle entlang der Auf- und Abfahrt waren allerdings ganz schön anzuschauen.
Die Großglockner Hochalpenstraße an sich war wirklich schon zu fahren. Gut ausgebaut und mit weiteren Kurven konnte man das Motorrad schön um die Ecke zirkeln. Das Panorama war auch einzigartig. Wenn man etwas mehr Zeit mitbringt, kann man mehrere Aussichtspunkte genießen und sich Ausstellungen zur Entstehung der Hochalpenstraße zu Gemüte führen. Mit dem schlechtem Wetter im Nacken bewegten wir uns allerdings etwas zügiger.
Die Abfahrt Richtung Zell am See war dann noch mal ein richtiger Bremsentest. Nach der Mautstelle Ferleiten machten wir eine kurze Pause und anhand der immer länger werdenden Autoschlangen an der Mautstelle sahen wir uns in unserem Frühstart einmal mehr bestätigt. Über Leogang und St. Johann in Tirol orientierten wir uns Richtung Kufstein. Furchtbar dröge 80 Kilometer bei sehr vollen Straßen, aber leider nicht vermeidbar.
Von Kufstein fuhren wir über die L37 über Wacht Richtung Bayrischzell, hier wurde es von der Strecke nochmal nett mit Kurven und einem schönen Alpental. Kurz vor Bayrischzell hatte uns das schlechte Wetter allerdings endgültig eingeholt und ein ordentlicher Gewitterguß zwang uns in die Regenpellen. Gott sei Dank war der schnell vorbei und wir schafften den restlichen Weg Richtung München halbwegs trocken.
Waren An- und Abfahrt zum Großglockner eher Durchschnitt, war die Hochalpenstraße schon ein sehr feines Stück Asphalt, daß man schon mal befahren haben sollte in seinem Motorradleben, auch wenn der Eintrittspreis nicht ohne ist. Aber hey, man bekommt einen Sticker dazu!
Hahntennjoch, Timmelsjoch, Stilfser Joch, Umbrailpass, Gaviapass, Tonalepass, Mendelpass, Nigerpass, Karerpass, Sellajoch, Grödnerjoch, Pordoijoch, Fedaiapass, Falzaregopass, Passo Tre Croci, Drei Zinnen, Großglockner Hochalpenstrasse, siebzehn Pässe in vier Tagen. Erst hinterher ist mir aufgefallen, daß wir von den zehn höchsten Alpenpässen der Alpen fünf auf dieser Tour bereist haben:
1. Col de la Bonette, 2802 m
2. Col de l’Iseran, 2770 m
3. Stilfser Joch, 2758 m
4. Col d’Agnel, 2746 m
5. Col du Galibier, 2646 m
6. Passo di Gavia, 2618 m
7. Timmelsjoch, 2509 m
8. Großglockner-Hochtor, 2504 m
9. Umbrailpass, 2501 m
10. Großer Sankt Bernhard, 2469 m
Somit wäre ein Plan für die Tour im nächsten Jahr, die Top 10 voll zu machen. In der Reihenfolge Großer Sankt Bernhard, Col de l’Iseran, Col du Galibier, Col d’Agnel sowie Col de la Bonette ließe sich eine gute Route stricken. Ich fange mal an zu planen!