Tag 25 – Nicolosi -Messina: Etna und wenn (meine) Theorie und Praxis nicht immer zusammenpassen
Gestern habe ich mir gesagt: Einfach nicht aufregen, wenn es ein paar Tropfen Regen gibt. Das dachte ich mir auch heute früh, obwohl es sehr sehr viele Tropfen waren. Aber bis zum Frühstück hatte es wieder aufgehört und ich konnte dieses im Beisein der Chefin genießen – ein Vulkan an Freude und Redebedürfnis sprühte schon am frühen Morgen, was aber sehr kurzweilig und informativ war.
Bei kühlen 15 Grad wollte ich heute den Etna erklimmen – allerdings mit dem Motorrad bis zum Rifugio Sapienza – der Mittelstation sozusagen. Dort oben wollte ich dann adhoc entscheiden, ob ich eine Tour bis zum Gipfel buche. Schon bei der Anfahrt zum Rifugio verwarf ich diese Überlegungen, denn die Wolken wurden permanent dichter und dunkler. Trotzdem war die Auffahrt ein Erlebnis zwischen den erkalteten Lavaströmen. Apropos kalt, bis zum Rifugio sank die Temperatur auf doch frische 8 Grad, aber kein Wunder in 1935m Höhe.
Ihr kennt das: auch wenn man ohne Motorrad unterwegs ist, kann man eine Strasse nicht mehr nur als einfaches verkehrsinfrastrukturelles Element betrachten. Man sieht es automatisch aus der Helmperspektive, die rechte Hand dreht in Gedanken schon am Gasgriff und fühlt vor jeder Kurve imaginär den Druckpunkt der Bremse.
Es deutete sich mir schon an, als ich im Flieger nach Catania die ersten Kapitel in Ted Simon’s „Jupiter’s Travels“ las. Dort las ich über den Auftakt seiner Reise, wie er durch den Süden Italiens und durch Sizilien fuhr. Ich hob den Blick und sah aus dem Flugzeugfenster und sah, daß wir gerade die Strasse von Messina überflogen.
Welche Bilder mich erwarten würden konnte ich schon bei der Lektüre des aktuellen Curves-Magazin über Sizilien erahnen, welches schon seit Wochen meinen Couchtisch bevölkert. Leider war ich nicht zum Vergnügen in Sizilien, sondern musste beruflich dort einen Event betreuen, der uns auch auf den Ätna führte. Mit seinen über 3.300 Metern muss er sich neben ausgewachsenen Alpengipfeln nicht schämen.
An der Küste brandet das Mittelmeer gegen die Lavafelsen. Der Ätna sollte von hier aus sichtbar sein, doch Wolken verhüllen den Vulkan. Auf dem Weg den Berg hinauf wechseln sich Regen und Nebel ab, zwischendrin reisst es auf und die Sonne kämpft sich durch und der Gipfel wird sichtbar.
Großartige Serpentinen offenbaren sich und mit jeder Kurve die wir mit dem Jeep umkurven wird die Sehnsucht nach einem Motorrad größer. Zumal das Thermometer hier Mitte Oktober sommerliche 24 Grad hat während zur gleichen Zeit meine Berliner Kumpels bei einstelligen Temperaturen und Regen ihre Saisonabschluss-Ausfahrt bestreiten.
Zurück im Hotel kann ich nicht umhin, eine Tour rund um den Ätna zu planen, auch wenn ich sie dieses Mal nicht fahren kann. Ausgehend im Ort Linguaglossa im Nordosten des Ätnas führen einen Serpentinen bis knapp auf 1.900 Meter an die Talstationen der Skilifte. Es geht weiter an der Ostseite in einer abwechslungsreichen Aneinanderreihung von tal- und bergwärts gerichteten Kurven.
In Adriano erreicht man den südlichen Punkt der Ätna-Umrundung. Von hier aus geht es westwärts um den Berg herum, weniger spektakulär, aber auch hier werden knapp 1.000 Höhenmeter erreicht und etwas weiter geschwungene Landstrassen lassen einen etwas ausgiebiger am Gashahn zupfen.
Würde man die Strecke ohne Halt fahren, käme man in 2,5 Stunden nach ca. 150km wieder am Ausgangsort Linguaglossa an. Aber ich halte jede Wette, daß jeder halbwegs emotionale Mensch mehrfachst anhalten wird, um dieser unglaublichen Natur Tribut zu zollen und die sensationellen Bilder, die sich einem bieten, in sich aufzusaugen.