Das letzte Jahr verging ganz ohne Benzingespräch, aber dafür ergab sich Ende letzten Jahres ein sehr spannender Kontakt, der zu diesem Interview führte. Über Claudio von Plantas neuestes Projekt kam ich in Kontakt und der Kameramann der Kult-Motorrad-Dokus „Long Way Round“ und „Long Way Down“ gab einen ausführlichen Einblick in seine Filmprojekte.

Claudio, auf meinem Radar bist Du als Kameramann für „Long Way Round“ erschienen. Aber Du hattest davor schon einige spannende Filmprojekte gemacht. Wo liegen denn Deine filmischen Wurzeln?

Die Faszination am Dokumentarfilm packte mich, als ich 1985 mit Mudschahedin in Afghanistan unterwegs war. Ich studierte damals Politische Wissenschaften an der Uni in Zürich und wollte in meinen Semesterferien ein konkretes journalistisches Projekt umsetzen. Ich dachte, eine kurze Reportage für Fernsehnachrichten sollte machbar sein. Ich hatte schon etwas Erfahrung mit Super-8-Filmen und hatte auch schon eine Offiziersausbildung bei den Gebirgsgrenadieren in der Schweizer Armee hinter mir. Die Idee, meine ersten journalistischen Gehversuche in einem Kriegsgebiet zu wagen, war daher nicht ganz so abwegig.


Ich entschied mich für Afghanistan, weil es 1985, sechs Jahre nach der Sowjetischen Invasion, noch immer kaum Nachrichten über diesen Konflikt gab. Ich dachte, da werde ich mindestens nicht viel Konkurrenz haben.

Ich kaufte mir ein Flugticket nach Pakistan und in den Flüchtlingslagern in Peshawar fand ich nach 2 Wochen einen Kontakt zu einem Kommandanten, der mich mit etwa 80 Mudschahedin nach Afghanistan mitnahm. Das war im wahrsten Sinne des Wortes eine Feuertaufe – nicht nur wegen dem Guerillakrieg sondern viel mehr wegen dem Kulturschock. Militärisch war ich überraschend gut vorbereitet, aber die Mentalität meiner Weggefährten war mir total unverständlich. Das Konzept des Heiligen Krieges und der Glaube, im Paradies mit 72 Jungfrauen belohnt zu werden, wenn man als Märtyrer stirbt, war mir völlig unbekannt. Ich fand es extrem schwierig, mich an die Konsequenzen dieser tief mittelalterlichen Vorstellungen zu gewöhnen. Die Verherrlichung des Märtyrertodes trieb meine Gefährten immer wieder zu selbstmörderischen Attacken, die aus meiner Sicht irrsinnig waren.

Auch heute, über 30 Jahre später, hat sich die Natur des Krieges in Afghanistan kaum geändert. Aus den Mudschahedin sind jetzt Taliban geworden, aber die Märtyrer-Mentalität ist geblieben und ist nach wie vor lebensverachtend und daher verantwortungslos – mindestens für ein einfaches Schweizer Gemüt.

Die geballte Ladung des afghanischen Kulturschocks und die Entdeckung von echtem Abenteuer katapultierte mich unwiderruflich in eine Freelancer Karriere. 1985 zeigte Antenne-2 in Frankreich meinen erstes ‘News Feature’ und als Resultat erhielt ich 1986 einen offiziellen Auftrag weitere Afghanistan-Reportagen zu realisieren.

1987 drehte ich einen Film über illegale Goldgräber im Amazonasgebiet in Brasilien und 1989 war ich mit Papuas im Jungel von Neuguinea unterwegs und produzierte „Rebels of the forgotten World“, ein Film über den Unabhängigkeitskrieg gegen die Indonesische Kolonialisierung von West-Papua. 1990 konnte ich diesen Film an Channel 4 in England verkaufen und seither lebe ich in London.