Motorrad oder nicht? Diese Frage schwingt unausgesprochen mit, wenn man das erste Mal vor einem Can-Am Three-Wheeler steht. Noch mehr, wenn man sich draufsetzt. Und spätestens, wenn man losfährt, stellt man fest: Das fühlt sich erstmal ungewohnt und undefiniert an – aber vielleicht genau das, was manchen bisher gefehlt hat.
Drei Räder, viele Rollen: Das Can-Am Line-up
Can-Am ist mit drei Baureihen im Dreiradsegment vertreten: dem sportlich-niedrigen Ryker, dem komfortablen Spyder F3 und dem luxuriösen Spyder RT. Neu hinzugekommen ist die Canyon – ein Adventure-orientiertes Modell mit grobstolliger Bereifung, robustem Aufbau und hohem Federweg. Damit zielt Can-Am klar auf Menschen mit Abenteuerlust, aber ohne Lust auf das Balancieren auf zwei Rädern. Und ich hatte mit einigen anderen Journalisten die Gelegenheit, den Canyon in der Provence über kurvige Bergsträsschen und durchs Gehölz zu treiben.

Die Modellvarianten und technische Daten
Den Can-Am Canyon gibt es in drei Versionen, die sich jeweils an unterschiedliche Ansprüche richten. Die Basisversion ist für Einsteiger gedacht. Sie kommt ohne Gepäcksystem, ist aber LinQ-ready (das hauseigene Gepäcksystem) und bringt Handschutz, ein manuell verstellbares Windschild sowie ein USB-Fach mit. Wer direkt auf Tour gehen möchte, greift zur Canyon XT. Diese Version bietet Aluminiumkoffer (Topcase und Seitenkoffer), einen Komfortsitz mit Soziuslehne, beheizte Griffe, eine selbstnivellierende Luftfederung und einen soliden Unterfahrschutz. Das Spitzenmodell hört auf den Namen Canyon Redrock. Es bringt eine semi-aktive Smart-Shox-Federung mit, ergänzt um eine Rückfahrkamera, einen konfigurierbaren Fahrmodus, ein Premium-Finish und die volle Komfort- und Stauraumausstattung.
Technisches Merkmal | Angabe |
---|---|
Motor | Rotax 1330 ACE Dreizylinder mit 115 PS und 130 Nm Drehmoment |
Getriebe | 6-Gang-Halbautomatik mit Rückwärtsgang |
Fahrmodi | Normal, Sport, All-Road, Rally (Redrock zusätzlich Custom Mode) |
Federweg | 260 mm vorn / 235 mm hinten |
Bodenfreiheit | 160 mm |
Höchstgeschwindigkeit | ca. 170 km/h |
Beschleunigung | 0–100 km/h in etwa 6,5 Sekunden |
Gewicht | ca. 465 kg fahrfertig |
Stauraum | bis zu 120 Liter bei XT und Redrock |
Display | 10,25 Zoll Touchscreen mit Apple CarPlay |
Meine Fahreindrücke aus der Provence
Zwei Tage waren wir mit dem Canyon Redrock unterwegs auf unterschiedlichstem Terrain: von kurvigen Landstraßen bis grobem Schotter war alles dabei. Und der Eindruck war zweigeteilt.
Auf der Straße
Der größte Nachteil des Canyon offenbarte sich bereits gleich zu Anfang bei den kurvigen Bergauf- und Bergabpassagen. Sportliches Kurvenfahren ist kein Spaß mit dem Gerät, das Lenkgefühl ist schwammig und das Gefährt schiebt immer zum kurvenäusseren Rad, bis die Elektronik eingreift und das Rad abbremst. Es herrscht immer Unruhe im Vorderwagen und man kann kaum einen sauberen Strich durch die Kurve fahren und muss immer nachkorrigieren.




Das Einlenkverhalten hat sich verbessert, als ich die Lenkunterstützung von Min auf Max gestellt habe, aber perfekt war es immer noch nicht. So entstand kein Vertrauen in den Canyon, zumindest auf der Strasse nicht. Auch ist er sehr windempfindlich, hier merkt man die höhere Bodenfreiheit und den massiveren Aufbau im Vergleich zu seinen Schwestermodellen.
Abseits der Straße
Ein anderer Eindruck ergab sich abseits geteerter Strassen. Hier machte es sichtlich Spaß, das Gefährt über Feld- und Waldwege zu treiben. Teilweise fuhren wir auf sehr groben Schotterpfaden, bei denen sich auch der geübte Endurist auf zwei Rädern schwer getan hätte. Nicht so auf den Canyon. Es rumpelte zwar schon im Gebälk, aber die Federung schluckte sehr viel Unebenheiten weg und auch der gelegentliche Kontakt mit dem schweren Geröll liessen den Unterfahrschutz und die Querlenker unbeeindruckt.





Meistens war es sehr trocken, hier und da hatten sich aber vom Regen des Vortages noch größere Pfützen gesammelt, die wir langsam durchpflügten oder umfuhren. Wenn man zu forsch durchfährt, bauen sich von den Vorderrädern größere Bugwellen auf, die die Schmutzabweiser hinter den Querlenkern auch überforderten. Der Trick hier: die Beine hochnehmen und auf den vorderen Verkleidungsteilen ablegen. Fast so ein bisschen wie bei der BMW GS.
Allzu schlammig sollte es aber auch nicht werden, da sonst der hintere Antriebsreifen relativ schnell zusetzt und der Vortrieb sich minimiert. Eine weitere Besonderheit offenbarte sich beim Befahren ausgefahrener oder ausgewaschener Feldwege, also da, wo die Fahrspuren und der Mittelsteg des Weges einen größeren Höhenunterschied hatten. Fuhren die Vorderräder in den Fahrspuren war das hintere Antriebsrad auf dem Mittelsteg, was manchmal zu unterschiedlichen Reibungswiderständen zwischen Vorder- und Hinterachse führte.
Es war nicht dramatisch, brachte aber hier und da zusätzliche Unruhe ins Fahrwerk. Auf der Einspur-Enduro suchst Du Dir einfach eine Fahrrille und fertig ist. Etwas ungewohnt fand ich die Halbautomatik. Geschaltet wird per Padel an der linken Lenkerarmatur. Während der Pilot selber hochschaltet übernimmt beim Anbremsen von Kurven oder Generell verlangsamen die Halbautomatik und schaltet selbsttätig in den tieferen Gang. Auf der Strasse hat mich das nicht sonderlich gestört, aber im Gelände wurde mir zu oft in den ersten Gang zurückgeschaltet an Stellen, wo ich lieber den zweiten Gang gehabt hätte um die Drehzahl am Hinterrad zu verringern und potentiell den Grip zu erhöhen. Das empfand ich als etwas nervig, gerade bei einem Gefährt mit dieser Geländeausrichtung.
Wie gut schiebt es an?
Der Rotax-Dreizylinder mit 1.330 Kubikzentimetern bringt es auf 115 PS – und muss dabei rund 465 Kilogramm fahrfertiges Gewicht bewegen. Das klingt nach viel, und das ist es auch. Beim Anfahren und in mittleren Drehzahlen wirkt die Leistung souverän, ohne sportlich zu sein. Für das Gelände reicht das völlig aus: Gerade bei niedrigen Geschwindigkeiten und unebenem Untergrund bietet der Motor genügend Durchzug und Reserven.
Auf der Straße dagegen fühlt sich der Canyon eher gemächlich an. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in etwa 6,5 Sekunden ist in Ordnung, aber nicht aufregend. Wer auf der Landstraße zügig unterwegs sein will, sollte eher zum Ryker greifen, der deutlich agiler wirkt. Das Fahrverhalten ist eher entspannt als dynamisch – was im Hinblick auf die Zielgruppe und den Einsatzzweck auch völlig in Ordnung geht.
Was pack ich ein, was nehm ich mit?
Die Gepäcklösungen des Can-Am Canyon XT und Redrock bieten ein Gesamtvolumen von rund 120 Litern. Das Topcase fasst etwa 60 Liter – genug für einen XL-Integralhelm – und die beiden Seitenkoffer jeweils rund 30 Liter. Zusätzlich stehen 21 LinQ-Montagepunkte zur Verfügung, an denen Zubehör wie Tanktaschen, Kühlboxen oder Kamerahalter sicher befestigt werden kann. Das modulare System erlaubt es, das Fahrzeug je nach Tourenlänge und Bedarf individuell zu konfigurieren.



Gepäckmässig kann man sich austoben. Die von uns gestellten Modelle verfügten über zwei Seitenkoffer mit jeweils 30 Liter Volumen und ein Topcase mit 60 Liter Volumen. In letzteres passte locker mein XL Integralhelm. Zusätzlich stehen 21 LinQ-Montagepunkte zur Verfügung, an denen Zubehör wie Tanktaschen, Kühlboxen oder Kamerahalter sicher befestigt werden kann. Das modulare System erlaubt es, das Fahrzeug je nach Tourenlänge und Bedarf individuell zu konfigurieren.
Komfort und Bedienung
Fahrer und Beifahrer sitzen bequem – auch auf längeren Strecken. Für wohlige Wärme sorgen getrennt regelbare Sitzheizungen, was besonders an kühlen Morgen ein echtes Plus ist. Das Windschild lässt sich manuell in der Höhe verstellen, allerdings war das Stellrad in unserem Test recht schwergängig. Am besten justiert man es also im Stand. Komfortverwöhnte greifen eher zum Spyder RT – dort geht das elektrisch.
Fazit
Drei Räder, zwei Meinungen – das passt zum Can-Am Canyon. Denn er spaltet: Auf der Straße sorgt er eher für Stirnrunzeln, abseits davon für echte Begeisterung. Der Can-Am Canyon ist kein Ersatz fürs klassische Motorrad – aber eine echte Alternative für Leute, die Abenteuer suchen, ohne zwei Räder balancieren zu wollen. Wer von einem GS-ähnlichen Fahrgefühl träumt, wird auf der Straße enttäuscht. Aber abseits befestigter Wege spielt das Konzept seine Stärken aus. Dort, wo normale Motorräder langsam unpraktisch oder anstrengend werden, fängt für den Canyon der Spaß erst an.


Can-Am Demotour 2025: Drei Räder live erleben
Wer die Can-Am Canyon oder andere 3-Rad-Modelle selbst testen möchte, hat dazu im Rahmen der Can-Am Demotour 2025 Gelegenheit. Bis August 2025 tourt Can-Am durch zehn Städte in Deutschland, darunter Hechingen, Dietzenbach, Kirchlinteln, Sinsheim und Drakenburg.
Bei den Events stehen die aktuellen Modelle Spyder, Ryker und Canyon für Probefahrten bereit. In vielen Fällen genügt der PKW-Führerschein (Klasse B), um eine Testfahrt zu machen. Vor Ort gibt es zudem Beratung, Austausch mit anderen Interessierten und oft auch Verpflegung.
Eine Anmeldung für die Testfahrten ist erforderlich und kann online vorgenommen werden. Weitere Informationen und Buchungsmöglichkeiten gibt es auf der offiziellen Can-Am Website.
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