Manchmal reicht ein Tipp aus der Szene, und plötzlich steht man vor einem Schatz mit Patina. So geschehen im letzten Jahr: In einer Scheune bei Amsterdam tauchte ein altes ADAC-Straßenwacht-Gespann auf – eine BMW R 67/2 mit Beiwagen, Baujahr 1955. Die Freude beim ADAC Berlin-Brandenburg war groß.
Was dann folgte, war keine kosmetische Aufbereitung, sondern eine komplette Restaurierung mit Fingerspitzengefühl und Fachverstand. Verantwortlich dafür: Hans Keckeisen, einer der renommiertesten BMW-Restauratoren weltweit. Er hat bereits zahlreiche Projekte für die Klassikabteilung des ADAC und BMW Motorrad umgesetzt. Bei diesem Fund war schnell klar: Ein bisschen neuer Lack würde nicht reichen.

Ein Glücksfall mit Nummer
Während der Restaurierung entdeckte man im Beiwagen den entscheidenden Hinweis: die originale Straßenwacht-Nummer 144. Damit ließ sich das Gespann eindeutig als offizielles Einsatzfahrzeug der ADAC-Straßenwacht identifizieren – und zwar als das 144. überhaupt. Ein seltener Glücksfall. Denn weltweit gibt es nur noch zwei erhaltene Straßenwacht-Gespanne in dieser Konfiguration. Eins steht in der ADAC-Zentrale in München – das andere jetzt in der BMW Motorrad Welt Berlin.
Besonders macht das Gespann auch seine Mediengeschichte: Der damalige Fahrer stellte es in der SWF-Sendung „Rasthaus“ (heute SWR) einem breiten Publikum vor. Damit gehört es zu den am besten dokumentierten Fahrzeugen seiner Art.
Erik Reimelt – ein Zeitzeuge im Interview
Zur feierlichen Enthüllung am 5. April 2025 war auch Erik Reimelt eingeladen – Jahrgang 1931, ehemaliger ADAC-Straßenwachtfahrer in Berlin. Zwischen 1964 und 1965 war er auf einem ähnlichen Gespann im Stadtgebiet unterwegs. Damals noch ohne Funk oder Handy. Statt Alarmierungen gab’s Patrouillenfahrten auf Autobahnen und Hauptstraßen. Wer liegen blieb, musste gut sichtbar die Motorhaube hochklappen – oder hoffen, dass bald ein gelber Engel vorbeikam. Der ADAC betrieb damals einen Stützpunkt in Dreilinden entlang der alten Autobahntrasse.









Die Präsentation in der BMW Motorrad Welt durfte ich moderieren und im Gespräch mit Erik erzählte er von leeren Tanks, verlorenen Schlüsseln, Fahrten bei Wind und Wetter und kuriosen Dankeschöns. Eine Einladung zum Essen war noch harmlos – einmal wurde ihm sogar ein Job angeboten. So wurde schnell klar: Die technische Hilfe war das eine. Das Zwischenmenschliche das andere.
Dreirad mit Geschichte
Zwischen 1953 und 1962 setzte der ADAC bundesweit 334 Motorradgespanne für den Pannendienst ein. Die BMW R 67/2 wurde rund 4.234 Mal gebaut, aber nur etwa jedes hundertste Exemplar wurde zum Straßenwacht-Gespann umgebaut. Die meisten wurden nach und nach durch den VW Käfer ersetzt. Umso bemerkenswerter, dass sich dieses Fahrzeug nun wieder im Originalzustand zeigt – mit Werkzeugkasten, Lackierung und Patina, die Geschichten erzählt.

Bis August in Berlin zu sehen
Die BMW R 67/2 mit der Nummer 144 ist bis Mitte August 2025 in der BMW Motorrad Welt in Berlin ausgestellt. Wer ein Faible für historische Technik hat – oder einfach mal erleben möchte, wie Mobilität früher aussah –, sollte vorbeischauen. Denn manchmal sind es nicht die PS-Zahlen oder Assistenzsysteme, die beeindrucken. Sondern die Geschichten hinter dem Fahrzeug.
Fotos: Amelie Mesecke
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