Weiter geht es im Reigen der Elektromotorräder: Zero Motorcycles hat mir die neue 2024er DS für ein paar Wochen vor die Haustür gestellt. Nachdem ich bereits im letzten Jahr die Vorgängerversion gefahren bin, war ich besonders gespannt, was der Nachfolger zu bieten hat – zumal Zero die neue Modellgeneration mit vielfältigen Neuerungen groß angekündigt hatte.
Die DS gehört seit 2010 fest zum Zero-Lineup und ist ein echter Hybrid zwischen Tourer und Pendlerbike. Besonders für den urbanen Raum eine ideale Wahl, für alle, die zwischen Stadt und Landstraße pendeln. Und für 2024 hat Zero nochmal ordentlich Hand angelegt.
Eine Plattform für fast alle Modelle
Ab dem Modelljahr 2024 basiert die technische Plattform fast aller Zero-Modelle auf einem gemeinsamen Layout. Bis auf die Modelle FX und FXE teilen sich alle Maschinen denselben Rahmen und Fahrwerksaufbau sowie Akku- und Motorvarianten. Diese sind nach verschiedenen Kapazitäts- und Leistungsstufen abgestuft. Auch das Cypher-Betriebssystem und die Bosch Motorrad-Stabilitätskontrolle gehören nun zum Standard.
Design: bullig oder doch stimmig?
Beim Design bleibt Zero auch nicht stehen. Die neue DS sieht auf den ersten Blick fast genauso aus wie die größere DSR/X. Doch wer genau hinschaut, erkennt die Unterschiede. Persönlich mag ich das Design der S-Modelle etwas lieber, aber der neue Gitterrohrrahmen der DS ist ein echter Hingucker. Batterie und Motor sind jetzt nicht mehr versteckt, sondern offen sichtbar. Ein klares Upgrade im Vergleich zum Vorgängermodell, das noch etwas dezenter daherkam. Doch das Cockpit wirkt – gerade für ein Pendlerbike – ein bisschen wuchtig. Das fällt vor allem auf wenn man die Zero neben ein anderes Motorrad stellt, in diesem Falle die Maeving, die ich noch vor ein paar Wochen getestet hatte:
Technik und Antrieb
Angetrieben wird die neue DS von einem Z-Force 75-7 Permanentmagnet-AC-Motor, der bereits in der 2022er DSR zum Einsatz kam. Mit 61 PS und 132 Nm Drehmoment ist die DS sowohl im Stadtverkehr als auch auf der Autobahn mehr als ausreichend motorisiert. Ich wiederhole mich gerne: für ein B196-Bike ist es wirklich frech, wie die DS anreisst.
Der 14,4-kWh-Akku soll eine Reichweite von bis zu 230 Kilometern im gemischten Betrieb ermöglichen. Bei konstantem Autobahntempo sinkt die Reichweite allerdings auf etwa 160 Kilometer und man kann dem Akku beim Entladen förmlich zuschauen. In der Stadt hingegen hält sich die Kapazität dank Rekuperation erstaunlich lange auf einem konstanten Niveau.
Laden: Geduld gefragt – oder nicht?
Die Ladezeiten variieren stark, je nachdem, wie du die DS auflädst. An der Haushaltssteckdose dauert es um die 10 Stunden, bis der Akku voll ist. Mit dem optionalen 6-kW-Schnellladegerät geht das deutlich schneller – unter zwei Stunden. Ich hatte nur die normale Steckdose zur Verfügung, und da dauerte es zwischen fünf und sieben Stunden, je nachdem, wie viel Restladung noch im Akku war. Aber für den Alltagsbetrieb ist das in Ordnung.
Fahrmodi: für jede Situation was dabei
Die Zero DS bietet fünf Fahrmodi: Eco, Standard, Sport, Canyon und Rain, die während der Fahrt gewechselt werden können. Die Modi passen Leistung, Beschleunigung und Rekuperation je nach Bedarf an. Besonders interessant: Über die Smartphone-App lässt sich ein benutzerdefinierter Modus (Custom) erstellen, der den Canyon-Modus ersetzen kann.
- Eco: Reduziert die Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit auf 120 km/h. Die Rekuperation beim Loslassen des Gashebels wird verstärkt.
- Standard: Bietet eine ausgewogene Beschleunigung und Rekuperation für den täglichen Gebrauch.
- Sport: Bietet maximale Beschleunigung und Rekuperation. Die Höchstgeschwindigkeit ist nicht begrenzt.
- Canyon: Wie Sport, aber mit stärkerer Rekuperation.
- Rain: Reduziert die Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit auf 160 km/h. Bietet das geringste Spitzendrehmoment und die schwächste Rekuperation aller Fahrmodi.
Meine Fahreindrücke
Im Alltag erweist sich die DS als gutes Pendler-Motorrad. Gute Ergonomie, komfortable Sitzposition und entspanntes Fahren dank Elektroantrieb. Gerade im Stop-and-Go-Verkehr der Stadt vermisse ich die Kupplung null. Der Antritt von der Haltelinie macht auch beim dranzigsten Mal Spaß und macht den Arbeitsweg kurzweiliger. Aber das war von der DS zu erwarten. Die spannendere Frage ist aber: wie viel Tourpotential steckt in der Maschine?
Um das herauszufinden machte ich mich auf eine Herbstrunde um den Werbellinsee zu umrunden. Von mir zu Hause sind das auf der Landstrasse je nach Route 140-150km. Die Zero zeigte mir 94% Ladezustand sowie eine Reichweite von 195km an. Sollte also reichen. Aber: ich hatte die Maschine nur im Stadtverkehr bewegt, wovon der Bordcomputer bei der Einschätzung der weiteren Distanz wohl ausging.
Im Video könnt ihr meine Eindrücke von Unterwegs erleben. Und meine Reichweitenangst. Ich glaube wenn man sich etwas mehr an das Motorrad gewöhnt und mehr damit gefahren ist, kann man die Reichweite viel besser einschätzen.
Insgesamt bin ich 140km gefahren, davon 12km Autobahn, etwas Stadtverkehr, den größten Anteil aber auf der Landstrasse mit Richtgeschwindigkeiten zwischen 70 und 100 km/h. Gestartet bin ich mit 94% Ladung und zurückgekommen mit 20%, 140km Mischbetrieb haben mich also 74% „gekostet“, also kam ich mit 1o% Ladung 18 km weit. So kann ich mir das besser merken, im Vergleich: unser NIU Roller schafft mit 10% Leistung rund 8 Kilometer. Ich weiss, Äpfel und Birnen und so.
Kritikpunkte
Trotz vieler Stärken gibt es auch Kritikpunkte. Die J. Juan-Bremsen sind zwar ausreichend, bieten jedoch nicht das Vertrauen, das man bei schnellen Fahrten erwarten würde. Zudem quietschte die Vorderradbremse bei Regenfahrten. Auch das Einlenkverhalten der DS wirkte auf mich etwas störrisch – ein Punkt, den ich beim Vorgängermodell besser in Erinnerung hatte.
Materialqualität und Verarbeitung sind solide. Zudem bleibt der Nutzen des integrierten Rückwärtsgangs fraglich – nett, aber nicht unbedingt notwendig im Alltag.
Fazit: Die Zero DS 2024 – ein Allrounder mit Power
Die 2024er Zero DS überzeugt als vielseitiges Elektromotorrad für den täglichen Einsatz in der Stadt und auf Landstraßen. Sie bietet eine alltagstaugliche Reichweite, kraftvollen Antrieb und hohen Komfort. Kritik gibt es jedoch für die Bremsen und das etwas störrische Einlenkverhalten. Mit einem Preis von rund 18.400€ ist sie zwar kein Schnäppchen, wer aber ein zuverlässiges Elektromotorrad für den Alltag sucht, wird hier fündig. Für Abenteuer und lange Touren empfiehlt sich jedoch eher ein anderes Modell.
Jürgen
Sehr schön – vielen Dank für diesen Erfahrungsbericht!
Die DS stelle ich mir zwar für Einsteiger immer _etwas_ zu gross und zu schwer vor, aber ich tappe hier wahrscheinlich in die Falle, zu glauben, „Einsteiger“ seien immer 16jährige Hänflinge.
Aber eben: B196 betrifft u. U. ja auch schon erfahrene bzw. gestande Motorradfahrer.
Die DS(R)(R-X) ist für mich DAS Zero-Motorrad, passt aber leider nicht zu meinem Fahrprofil. Ich hab mit Adventure-Motorräder so gar nichts am Hut. Noch nicht *g*
Aber das Ding fährt sich traumhaft, ist praktisch, effizient und auf Wunsch durchaus schlagkräftig. Die DSR-X in der Black-Forest-Edition würde ich auf jeden Fall ins Auge fassen, falls ich mal aufrecht auf Reisen gehen möchte …
Herzliche Grüsse aus den Bergen
Alexander
Danke für Dein Feedback. Du hast auch Deine Erwähnung im Video gesehen? https://youtu.be/K0Eoma25bbM?si=S6LNV381tobmPDde&t=298
Ich kann mir die DS auch als Zweitmotorrad für erfahrene Motorradfahrer und nicht nur für B196-Einsteiger vorstellen.
Jürgen
Oh, Klasse! Nein, das Video ging bis jetzt ungesehen an mir vorüber .. Herzlichen Dank für die Erwähnung 😉
Ich muss dazu sagen – in den letzten vier Jahren war ich zweimal knapp dran, liegen zu bleiben. Einmal, weil sich im Aostatal die Ladesäulen ums Verrecken nicht freischalten ließen, das zweite Mal, weil meine gute Zero irgendwann vergessen hatte, wieviel Energie sie so im Akku speichern kann. Will heißen – sie verwechselte 50 % Ladestand mit 100 %. Dass man damit keine großartigen Reichweiten mehr schafft, ist klar.
Hat sich aber mit „Zündung aus“ und 10 Minuten warten wieder erledigt. Waren plötzlich wieder 30 % da.
Aber das ist 3 Jahre her. Mittlerweile fahre ich einfach damit. Sorgen um Ladepunkte oder Reichweite mache ich mir überhaupt nicht mehr.
So, aber jetzt – Video ansehen.
Liebe Grüsse aus den Bergen!!
Jürgen
Ergänzung: Mittlerweile hab ich einen neuen Akku in der SR/F, inkl. der ganzen Lade- und Management-Zaubertechnik. Meine Zero ist aktuell besser als neu.