Im Nordosten Deutschlands haben wir keine Bergpässe, längere Kurvenpassagen sind auch eher rar gesät. Der Blick kann weit schweifen, weil nichts größeres landschaftliches im Weg rumsteht. Ist Motorrad fahren hier dann eher langweiliger als anderswo? Nicht zwangsläufig. Wenn man etwas mehr Federweg und grobstölligeres Gummi auf dem Motorrad hat, bieten sich einem spannende Alternativen.
Im Gegensatz zu anderen – vor allem südlichen – Bundesländern ist es in Brandenburg durchaus möglich, legal offroad zu fahren. Schotter- und Sandpisten sind hier auch teilweise normale Verbindungsstrassen zwischen Dörfern und Siedlungen. Also Teile des regulären Verkehrswegenetzes. Wenn man also weiss, wo es langgeht kann man hier sehr lange unterwegs sein ohne Asphalt unter die Räder zu bekommen. Und einer, der weiss, wo es langgeht ist Stefan Tappert mit seinen Mitstreitern von Enduromoto. Unweit der Berliner Stadtgrenze haben sie hunderte von Offroadkilometern im Landkreis Potsdam-Mittelmark gescoutet und zu spannenden Touren zusammengestellt. Das Konzept hat Euch Stefan selber schon in seinem Gastartikel hier vorgestellt.
Am letzten Augustwochenende hatte mich Stefan eingeladen mitzufahren. So machte ich mich am Freitagabend nach getaner Arbeit freudig auf den Weg nach Beelitz-Heilstätten, dem Ausgangspunkt der Tour. Die Anreise war für mich denkbar einfach: nach Stadtautobahn, Avus und Berliner Ring fuhr ich auf die A9 um gleich an der ersten Ausfahrt abzufahren und keine zwei Minuten später parkte ich vor dem Gasthof, in dem wir einquartiert waren.
Beim Abendessen konnte sich die Fahrgruppe beschnuppern und neben Stefan lernten wir auch Roy als unseren zweiten Tourguide kennen. Die meisten Teilnehmer kamen aus dem Berliner Raum bis auf einen Hannoveraner und einen Wormser (da wo offroad weniger bis garnicht möglich ist). Die Fahrgeräte variierten von einer über 20 Jahre alten Suzuki DR zur nagelneuen KTM 390 Adventure, gewichtsmässig hatten wir ein Spektrum von 160kg (KTM 690) bis 268kg (BMW R1250 GS Adventure). Es würde also unterschiedlich arbeitsintensiv für die Teilnehmer werden, sich durch den märkischen Sand zu pflügen.
Erster Fahrtag: ab in die Sandkiste Brandenburgs
Der erste Fahrtag beginnt mit einer kleinen Einweisung von Stefan, einmal noch alle Basics vergegenwärtigen beim Offroadfahren, allem voran das Lenken über die Gewichtsverlagerung in den Fussrasten. Ziel des ersten Tages war es, sich graduell an den Sand heranzutasten und verschiedene Techniken zu vergegenwärtigen und zu festigen.
Nach ein paar Metern Fahrt durch den Ort ging es schon auf losen Untergrund und bei unserem erster Stopp unweit des Standortübungsplatzes Beelitz fühlte man sich schon wie auf einem Wüstenplaneten. Hier übten wir erstmal die Bremsung auf Schotter bevor wir ein paar runden auf Sandpisten drehten um uns einzugrooven. Stefan hatte uns versprochen, dass sich der Schwierigkeitsgrad über den Tag steigern würde. Ich fand die Passagen hier schon nicht ohne.
Um uns zu verdeutlichen, wie wichtig Geschwindigkeit zur Stabilisierung des Motorrades auf Sand ist, fuhr Stefan auch mal eine Passage mit 25 km/h und wie zu erwarten war, eierten wir ordentlich rum. So wurde es allen klar, dass ein beherzter aber auch kontrollierter Gaseinsatz die halbe Miete war neben dem lockeren Griff am Lenker. Genug Übungsmöglichkeiten hatten wir ja. Der trockene Sommer und auch die warme Witterung in den letzten Augustwochenenden sorgten für einen besonders pulvrigen Untergrund und wir zogen eine größere Staubfahne hinter uns her. Es blieb einem nur zwei Optionen: versetzt dicht am Vordermann fahren bevor der Staub aufsteigt oder einen größeren Abstand lassen. Entsprechend mussten wir schmunzeln, als wir an einem Schild mit der Aufschrift „Staubgefahr“ vorbeifuhren.
Nach einer weiteren Übungseinheit zum Wenden im Gelände machten wir am späten Vormittag einen Stopp beim Oldtimtermuseum Schmidt in Bergholz-Rehbrücke, einer privaten Sammlung von meist Vorkriegs-Fahrzeugen und -Technik. Es ist auf jeden Fall einen Stopp Wert, auch wenn ihr nicht offroad unterwegs seid. Macht vorher einen Termin aus, denn es gibt keine festen Öffnungszeiten.
Der Nachmittag stand im Zeichen lustigen Offroadfräsens durch die Nuthe-Nieplitz-Niederung und Stefan hatte keine falschen Versprechungen gemacht, der Sand wurde tiefer. Einige Waldpassagen und Single Trails wurden dankbar angenommen, machte der Schatten das Fahren doch angenehmer. Das Wetter meinte es sehr gut mit uns für Ende August.
Als einer der Teilnehmer seine BMW R1250 GS Adventure im Sand abgelegt hatte wollte diese nicht wieder starten. Auch ein Batteriewechsel brachte keine Besserung. Aber auch für diesen Fall gab es eine Lösung. Tourguide Roy holte Fahrzeug und Hänger und sorgte für eine Bergung der Adventure und Rücktransport zu unserem Landgasthof. Der BMW Service kam noch am Abend und hauchte der Adventure wieder Leben ein.
Zwei weitere Fahrer unserer Gruppe hatten genug Sand für den Tag gesehen und machten sich ebenfalls auf eigener Achse ins Quartier zurück. Alles kann, nichts muss – gerade beim Offroadfahren sollte jeder nach seiner Tagesform entscheiden, wie fit er sich noch fühlt. Auch einer der Vorteile hier bei Enduromoto, dass sich alle Routen auf relativ engem Raum zwischen Beelitz und Trebbin erstrecken und der Weg zurück zum Hotel immer kurz ist.
Wir machten uns zu viert weiter auf die restliche Tagesetappe und konnten das Tempo etwas anziehen. War Sand bis letztes Jahr noch mein Endgegner habe ich ihn zwar immer noch nicht lieben gelernt. Aber ich kann ihn besser beherrschen, es reicht zumindest, um mit 60 km/h durch den Wald zu ballern.
Und an der Stelle im Video wo meine BMW auskeilt hätte ich vor nicht all zu langer Zeit das Mopped weggeschmissen. Training bringt also doch etwas.
Nach einer Kuchenpause in der Scheune in Dobbrikow ging es langsam zurück ins Quartier. Die Passagen durch den Wald mit der Staubfahne der Vorausfahrenden im tiefstehenden Licht waren schon fast wie gemalt. Leider hats die Actioncam nicht ganz so gut eingefangen.
Stiefelbier, Abendessen, Schlafen, zweiter Fahrtag
Die Moppeds standen vor Dreck, aber die Fahrer kamen frisch gewaschen zum zweiten Fahrtag. Nach ein paar Aufwärmkilometern machten wir auf einem größeren Sandplatz halt und absolvierten ein paar Trainingseinheiten zum wenden auf engem Raum, sei es im Fahren am Lenkanschlag oder stehend neben dem Motorrad, in dem wir die Maschine um uns herum driften liessen. Sagen wir es mal so: ich konnte letzteres nur mittelgut. Aber egal, das kann ich ja noch später üben.
Für die Ambitionierten unter uns gab es dann noch die Möglichkeit, einen 70m langen Hillclimb im tieferen Sand zu absolvieren. Ähnlich wie beim Splitthang in Meltewitz ist nicht nur die Bergauffahrt spannend, sondern auch der umgekehrte Weg runter. Eine gute Balance auf dem Motorrad ist wichtig, wenn sich vor dem Vorderrad ein kleiner Sandberg aufschiebt, der dem Motorrad seinen eigenen Willen aufzwingen will.
Von hier aus hielten wir und nordwärts auf einer Mischung von kurzen Teeretappen, kleineren Waldwegen und zwischen Feldern hindurch bis wir an der Fähre Ketzin ankamen. Kurz übergesetzt nahmen wir auf der anderen Havelseite unser Mittagessen ein.
Auch am ging Stefan bestmöglich auf die Wünsche der Fahrgruppe ein und passte die Routenwahl flexibel an. Der heutige Tag sollte nicht so fahrintensiv werden wie der Samstag, da für uns alle die Heimreise anstand. So kehrten wir gegen 16:00 Uhr ins Hotel zurück, dass auch die weiter entfernt Wohnenden noch entspannt nach Hause kommen konnten.
Fazit: man muss nicht in die Ferne reisen, um Offroadabenteuer zu erleben
Auch wenn ich in der Vergangenheit schon mal mit Stefan unterwegs war und seine planerischen Fähigkeiten schon etwas kannte, war es für mich eine kleine Offenbarung, welche Möglichkeiten sich hier unweit der Berliner Standgrenze und nur einen kleinen Sprung von Autobahnring entfernt auftaten. Er kennt die Gegend wirklich wie seine Westentasche und man kann nur erahnen, welcher Aufwand ins Scouting der ganzen Strecken floss.
Aus diesem Erfahrungsschatz kann er – wie auch wir es erleben durften – auf individuelle Bedürfnisse und Umstände eingehen. Neben den tollen Routen überzeugen auch die immer wieder eingebauten Technik- und Übungselemente, die den Teilnehmenden ermöglichen, ihren Offroadhorizont zu erweitern.
Ich vermute dahinter einen Plan: Stefan möchte seine Offroadpassion an möglichst viele Leute weitergeben. Für mehr Stollenritter. Und das alles mit viel Umsicht und Respekt für die Natur.
Unsere Leidenschaft für das Motorrad Enduro fahren ist ansteckend und wir tun alles in ihrer Macht stehende, um aus den Teilnehmern unserer Touren glückliche Menschen zu machen.
Wer nun von Euch auf den Geschmack gekommen ist, in diesem Jahr findet noch eine Tour am 27.09. statt, für kommendes Jahr werden wieder sechs Termine verfügbar sein. Alle Infos findet ihr auf der Website von Enduromoto.
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