Der Royal Enfield One Ride ist eine alljährliche Marken-Ausfahrt, die in diesem Jahr zum zwölften Mal stattfand: in 7 Ländern, in über 460 Städten mit über 750 Rides und über 17.000 Ridern. Unter dem Motto “One Mission – One World” wurde One Ride 2011 initiiert, um Fans und Besitzer:innen von Royal Enfield Motorrädern auf der ganzen Welt zusammenzubringen. Der Berliner Ride hatte seinen Start- und Endpunkt im Craftwerk Berlin und mit 45 Fahrer:innen machte ich mit auf den Weg auf eine kleine Ausfahrt ins östliche Umland von Berlin.
Meine Zulassungsvorraussetzung zur Mitfahrt wurde mir von Royal Enfield in Form des im letzten Jahr vorgestellten Einstiegsmodells HNTR 350 bereit gestellt. Sie basiert auf der gleichen Plattform wie die auch in Deutschland erhältlichen Classic 350 und die Meteor 350.
Die HNTR 350 ist das Einsteigermodell in die Royal Enfield-Familie und ab 4.490 Euro zu haben. Für den Preis bekommt man im Motorrad-Segment sonst nur 125er-Modelle. Für meine Vespa 300 GTS Super müsste ich heutzutage neu über 7.000 € auf den Tisch legen. Das mag ein Vergleich von Äpfel mit Birnen sein, aber sowohl die Vespa als auch die Hunter sind für den urbanen Verkehrsraum gemacht und so erlaube ich mir einfach, die Vespa als Referenz für die Hunter heranzuziehen.
Für den Preis der HNTR darf man nicht allzu viel Luxus erwarten, die Ausstattung als pragmatisch zu bezeichnen trifft es meiner Ansicht nach sehr gut. Ein überschaubares Cockpit mit Kombiinstrument und einfachen Schaltern, ein klassisch geformter Metalltank sitzt über den Einzylindermotor. Die Sitzbank ist breit und gut gepolstert, sowohl für den Fahrer als auch den Sozius, für den auch noch breite Haltegriffe montiert sind.
Das Bike steht vorne und hinten auf 17-Zoll-Bereifung, der kurze Radstand von 1.370 Millimetern und die vorderradorientierte Sitzposition sorgen dafür, dass die HNTR mit ihren 181 Kilogramm fahrfertig im urbanen Gewusel agil zu bewegen ist. Das Fahrwerk fühlt sich straff an, schluckt aber auch Berliner Schlaglöcher gut weg. Mit 790mm Sitzhöhe ist die Hunter auch für vertikal herausgeforderte Menschen super zugänglich. Ein Detail, was mich aber bei jeder Fahrt nervt: mit meiner Schuhgröße 45 sitzt der rechte Schuh immer auf dem Auspuff auf, der sich kurz hinter der Fußraste in die Höhe reckt – und an der Stelle aus Gründen extra schon eine Ausbuchtung hat. Daher setze ich den Fuß immer etwas weiter vorne auf, was aber nicht meiner normalen Sitzposition entspricht.
Der langhubig ausgelegte luft-ölgekühlte Viertakt-Einzylinder mit 349 cm³ Hubraum bringt 20 PS bei 6.100/min und 27 Nm bei 4.000/min auf die Straße. Um das Ansprechverhalten der Hunter etwas spritziger zu machen, wurde das Mapping im Vergleich zu den 350er Schwestermodellen durch Eingriffe in Zündung und Einspritzung angepasst. Sie hängt dadurch wirklich schön am Gas und beschleunigt angemessen von der Ampel weg. Was überrascht: die Serienauspuffanlage liefert einen schönen, dumpfen Sound, ein Umstand den man bei Maschinen mit kleinen Hubräumen nicht immer erwarten kann.
Die Höchstgeschwindigkeit wird mit 114 km/h angegeben, die rannte sie auch auf meiner Pendelstrecke auf der Berliner Avus. Aber ab 80 km/h nimmt die Vorwärtsdynamik ab, über 100 km/h wird es zäh. Hier wird es schon schwierig, einen LKW zu überholen. Im Vergleich liefert meine Vespa 300 GTS Super hier deutlich besser ab (ok, mit 2 PS mehr Leistung und 24 kg weniger Gewicht). Also: wenn Autobahn mit der HNTR, dann lieber rechte Spur.
Die HNTR bunkert 13 Liter Sprit im Tank, in Kombination mit einem Durchschnittsverbrauch von unter 3 Litern sind Reichweiten über 400 km drin. Bei den 60 km, die ich pro Tag ins Büro und zurück fahre würde ich locker eine Woche ohne tanken auskommen, nice.
Beim Design der Hunter bin ich etwas zwiegespalten. Die vordere Hälfte gefällt mir gut in ihrer klassischen Naked Bike-Optik, auch das Kombiinstrument vereinbart auf ansprechende Weise einen klassischen Zeiger mit einem Digitaldisplay. Die hintere Hälfte des Bikes hingegen ist mir in der Formansprache etwas zu wulstig, sei es die Seitendeckel oder die Sitzbank. Hier hätten der Hunter etwas klassischere Linien gut gestanden.
Mein Fazit zur HNTR 350 – ein unkompliziertes urbanes Bike
Geschwindigkeits- und Beschleuningungsrekorde stellst Du mit der HNTR 350 nicht auf. Hier ist eher das Motto: draufsitzen und entspannt losfahren. Sie gibt einem keine Rätsel auf und lädt ein zum genüßlichen cruisen. Auf die überschaubare Leistung jenseits städtischer Geschwindigkeitsbegrenzungen muss man sich einlassen, dafür belastet sie auch das Konto so wenig wie kaum ein anderes Bike.
Technische Daten der HNTR 350
Herstellerangaben | |
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Motor/Getriebe | Luftgekühlter Einzylindermotor, zwei Ventile pro Zylinder, SOHC, Benzineinspritzung, Hubraum 349 ccm, Leistung 14,87 kW/20,2 PS bei 6100 U/min, max. Drehmoment 27 Nm bei 4000 U/min, Ausgleichswelle, 5 Gänge, Kette |
Fahrleistungen und Verbrauch | Höchstgeschwindigkeit 114 km/h, Normverbrauch 2,76 Liter/100 km |
Fahrwerk | Unten offener Zweirohr-Stahlrahmen, Motor mittragend, vorne Telegabel, ø 41 mm, Federweg 130 mm; hinten Stahl-Kastenschwinge, zwei Federbeine (Vorspannung 6-fach einstellbar), Federweg 102 mm; vorne Einscheibenbremse ø 300 mm mit Zweikolbenbremszangen; hinten Einzelscheibe ø 270 mm mit Einkolbenbremszange; Leichtmetallgussräder; Reifen vorne 110/70-17, Reifen hinten 140/70-17 |
Assistenzsysteme | Zweikanal-ABS |
Maße und Gewichte | Radstand 1370 mm, Sitzhöhe 790 mm, Bodenfreiheit 150 mm, Gewicht fahrfertig vollgetankt 181 kg, zul. Gesamtgewicht 360 kg; Tank 13 Liter |
Preis | 4500 Euro |
Fotos: Royal Enfield Europe & Moritz Thau
Christoph Brezinka
Vielleicht würde dir die Hunter besser mit einer rechten Sitzbank gefallen? Fahre sie selbst auch. Da ich 25 Jahre lang kein Motorrad in der Hand hatte, war es für mich eine gute Wahl für den Wiedereinstieg. Leider gibt es kaum noch 350 ccm Motorräder wie früher die DR 350 (worauf ich meine Prüfung abgelegt habe). Denke übrigens auch über deinen Wechsel der Sitzbank nach 🙂 https://www.youtube.com/shorts/SqXnyW5gZMw
Alexander
Die flache Sitzbank gefällt mir von der Optik sehr viel besser!