Auf meine diesjährige Tourbegleiterin Triumph Tiger 1200 war ich im Vorfeld schon sehr gespannt. Nicht nur, weil sie bei der Fahrzeugpräsentation schon bereits einen guten Eindruck machte sondern auch weil Sabine – die mich bei der letztjährigen Fahrvorstellung auf und um den Nürburgring vertrat – sehr begeistert von ihr berichtete. Nach fünf Tagen und knapp 1.500 Kilometern mit der GT Explorer durch das Elsaß und die Vogesen ist es nun Zeit für ein Fazit.
Den ersten Eindruck lieferte bereits Sandra am ersten Fahrtag. Nachdem sie keine zwei Stunden hinter mir her gefahren war, meinte Sie: „Es wirkt so, als ob Du in Deinem Leben kein anderes Motorrad gefahren wärst. Du bist echt eins mit der Maschine!“. Interessanterweise fühlte es sich für mich auch genauso an. Das Motorrad gibt einem keine Rätsel auf, ist super zugänglich und man gewinnt sehr schnell Vertrauen in die Tiger.
Die Tiger 1200 GT Explorer im Überblick
Bei der von mir gefahrenen Maschine handelte es sich um eine in Snowdonia White lackierte GT Explorer. Für einen Kaufpreis von 21.945,00 € kommt sie bereits in Vollausstattung mit semiaktivem Fahrwerk, Quicksifter, Totwinkelassistent, Reifendruck-Überwachungssystem, Berganfahrhilfe und Tempomat. An optionalem Zubehör kann man neben ein paar Kleinteilen eigentlich nur die Bekofferung auswählen. Mit zwei Koffern und einem Topcase fuhr ich bei Triumph mit maximaler Ladekapazität von 123 Litern vom Hof. Der mit 30 Litern voll gefüllte Tank versprach eine Reichweite von um die 500 km, sorgt aber auch für ein fahrfertiges Gesamtgewicht von 255 kg.
Ergonomie und Reisekomfort
Beim Rangieren merkt man schon, dass man ein großes Bike bewegt. Interessanterweise stellten wir später fest, dass die Honda CB 1100 meines Mitfahrers Stephan genau das gleiche Gewicht wie die GT Explorer auf die Waage bringen sollte, die CB baut aber flacher und hat dadurch einen niedrigeren Schwerpunkt.
Die Sitzhöhe ist verstellbar von 850-870 mm, so dass für unterschiedliche Fahrergrößen vorgesorgt ist. Der Kniewinkel war entspannt, der 849mm breite Lenker ist zum Fahrer geneigt, man nimmt eine angenehme Fahrposition hinter dem Windschild ein. Dieses ist leicht während der Fahrt verstellbar. Auf schnelleren Autobahnetappen zwirbelte es mir in der höchsten Position bei meinen 1,82 m Größe noch leicht am Helm, ich würde mir da wahrscheinlich noch einen Windabweiser montieren um komplett windgeschützt zu sitzen.Auf der Landstrasse hatte ich das Windschild immer unten, um mehr kühlende Luft am Oberkörper zu haben.
Obwohl der große Tank optisch sehr präsent ist, zwängt er einem im Sitzen keine gespreizte Sitzposition auf – etwas, was mich vor kurzem bei der Husqvarna Norden 901 sehr gestört hatte.
Die Sitzbank ist sehr komfortabel, so dass auch nach längeren Fahretappen nix am Gesäß zwickt. Sowohl der Fahrer- aus auch der Beifahrersitz sind beheizbar, davon musste ich ob der sommerlichen Temperaturen aber keinen Gebrauch machen.
Von Haus aus ist die GT Explorer mit einem neuen, semiaktiven Showa-Fahrwerk ausgestattet. Auf wechselnde Fahrbahnbeschaffenheiten konnte man während der Fahrt schnell mit ein paar Klicks reagieren und das Fahrwerk entsprechend anpassen. Waren beispielsweise die kleinen, ruppigen Landstraßen der Milles Étangs für meine Mitfahrer etwas anstrengend bis zahnfüllungslösend konnte ich nicht nachvollziehen, von was die beiden sprachen.
Auch in nassforsch angefahrenen Kurven und einer eher komfortableren Fahrwerkabstimmung zog die Maschine spurtreu ihre Linien und die 19-Zoll-Gussräder vorne bzw. 18-Zoll-Gussräder hinten folgten sauber dem Kurvenradius.
Während ich den Tempomat auf längeren Geradeausfahrten als komforterhöhendes Feature sehr zu schätzen wusste, musste ich mich an den Totwinkelassistenten der GT Explorer erst gewöhnen. Er funktioniert ähnlich wie im Auto: wenn sich ein Fahrzeug direkt seitlich hinter dir befindet, leuchtet ein kleines Lämpchen links oder rechts unterhalb des jeweiligen Aussenspiegels. Wenn man wie wir in einer Gruppe von Mitfahrern unterwegs bist, mit denen man schon Tourenerfahrung hat, dann weiss man auch meistens, wo die sich einreihen. Aber es gibt ja auch andere Verkehrsteilnehmer und für die mag das Feature nützlich sein.
Das Spritfaß mit beeindruckenden 30l Fassungsvermögen ermöglicht einem eine Reichweite je nach Fahrstil um die 500 Kilometer, was einen Zuwachs von 50% gegenüber den GT- und GT Pro-Modellen bedeutet. Meine eher nassforsche Fahrweise resultierte übrigens in Verbräuchen um die 5,5l / 100 km. Über Reichweite hatte ich mir eigentlich nie groß Gedanken gemacht, zumal man in der Gruppe sich eh an dem Motorrad mit der geringsten Reichweite orientieren muss. Was in unserem Fall Tankintervalle von 200-250 km bedeutete. Aber wenn man es mal hat, will man es nicht missen. Keine Kompromisse in der Routenplanung, nur um die nächste Tankstelle zu finden. Einfach losfahren und Strecke machen. Mit der BMW 1250 GS Adventure und der Ducati Multistrada 1200 Enduro gibt es in dieser Klasse auch wenig Alternativen, die ähnliche Reichweiten bieten.
Motor & Dynamik
Aus 1.160 ccm produziert der Triumph-Drilling eine Spitzenleistung von 150 PS und 130 Newtonmeter Drehmoment. Mit britischem Understatement könnte man das als „angemessen motorisiert“ bezeichnen, so wurde früher bei Rolls-Royce die Frage nach der Leistung beantwortet.
Wie alle Triumph-Dreizylinder, die ich bisher gefahren bin, begeisterte dieser auch mit einer großartigen Drehfreude. Der Punch macht wirklich großen Spaß, lediglich von ganz unten raus könnte etwas mehr Druck da sein. Aber das ist Klagen auf hohem Niveau. Die Kraftentfaltung ist schön linear, man muss sich auf keine Überraschungen einstellen, wenn man die Kraftreserven des Motors abruft.
Wenn man gepflegt aus dem Kurvenscheitelpunkt den Hahn aufzieht, bellt es kehlig aus dem Auspuff. Dank der neuen T-Plane-Kurbelwelle zündet der Tiger 1200 Motor in Abständen von 180, 270 und wiederum 270 Grad Kurbelwellenwinkel, was zu einer kurzen und zwei langen Abständen zwischen den einzelnen Zündungen des Dreizylinders führt. Nach meinem Empfinden klingt er dadurch rauher als bisherigen Triumph-Motoren. Mir gefiel das sehr, weil es gut zur Charakteristik der nach vorne preschenden Maschine passte.
Über fünf Fahrmodi verfügt die Maschine: Regen, Straße, Sport, Off-Road und ein vom Fahrer individuell konfigurierbarer Modus sind verfügbar. Mehr als Straße und Sport habe ich nicht ausprobiert, zugegebenerweise bin ich aber kein großer Freund von Fahrmodis. Ich finde es wichtiger, dass die Gas- und Bremshand- und -fuß des Fahrers die aussschlaggebenden Systeme sein sollten.
Tansportkapazitäten
Meine GT Explorer war mit den Triumph Trekker-Koffersystem ausgerüstet, der linke Koffer fasst 46 Liter, der rechte auf der Auspuffseite 33 Liter, das Topcase kommt ebenfalls auf 46 Liter Fassungsvermögen. In den Koffern befanden sich die wasserdichten Trekker Pannier Innentaschen mit Rolltop, über in den Koffern integrierte Spanngurte werden die Taschen fixiert.
Mein Gepäck für die fünf Tage passte locker in die beiden Seitenkoffer, im Topcase durfte die Technik und der Proviant für tagsüber mitfahren. Beim Stiefelbier hatten wir schon überlegt, ob man die Stromversorgung für die Soziussitzheizung umleiten könne um im Topcase eine Kühlbox zu betreiben. Wir denken da nochmal weiter drüber nach, Triumph.
Ein paar Dinge machten mich bei der Gepäcksituation nicht glücklich:
- Um in den großen Rolltaschen seine Sachen sinnvoll zu packen, braucht man eigentlich noch weitere Taschen / Beutel in denen man seine unterschiedlichen Kleidungsstücke sinnvoll unterbringen kann. Das haben die meisten von Euch wahrscheinlich eh. Zum Vergleich: die Innentaschen meiner BMW Variokoffer sind exakt auf das Maß der Koffer geschnitten und verfügen über Rundum-Reissverschlüsse. So kann ich die Innentasche flach auf den Boden legen und von oben bepacken bis zum Rand. Die Klamotten sind wo viel einfacher erreichbar und entnehmbar. Meine Innentaschen sind dafür im Vergleich zu den Triumph Taschen nicht wasserdicht. Müssen sie aber nicht, denn der BMW Variokoffer ist wasserdicht.
- Was man von den Triumph Koffern nicht sagen kann. Als die Maschinen bei der Übernachtung in Riquewihr draussen auf dem Hotelparkplatz standen, hat es der nächtliche Regen in die Koffer geschafft (siehe Bild oben). So musste ich erstmal die Seitenkoffer innen auswischen, bevor ich sie wieder bepacken konnte.
- Das Öffnen und Schließen der Koffer fand ich mühsam, denn man muss sie zuerst aufschliessen, dann den Hauptverschluss öffnen und dann die beiden Seitenverschlüsse entriegeln, bevor man den Deckel aufklappen kann. Ebenso fummelig war das fixieren der Innentaschen über die integrierten Spanngurte. Der Verschluß der Spanngurte war so fummelig, dass ich am Ende die Taschen einfach so in die Koffer gepackt hatte ohne sie weiter zu befestigen.
Navigation und My Triumph App
Über die My Triumph App kann man seine Tour am Handy planen oder bereits vorhandene GPX-Tracks importieren. Die Übersicht und die Bedienung der App ist sehr intuitiv. Man kann mehrere Routen wie zum Beispiel die Tagesetappen der Tour speichern und abrufen. Die Navigationsfunktion startet aber nur, wenn ein Motorrad gekoppelt ist. Dann wird die Routenführung über Pfeilnavigation im Motorrad-Display angezeigt.
Das empfinde ich auf Tour leider als unzureichend, vor allem, wenn ich auf Strecken unterwegs bin, die ich nicht kenne. Über eine Kartennavigation kann ich den Routenverlauf vor mir einsehen. Wie ist der Kurvenradius vor mir? Wann ist die nächste, längere Gerade auf der nicht nur ich sondern auch meine Mitfahrer die Möglichkeit zum Überholen eines langsameren Fahrzeuges haben?
Es wäre toll, wenn Triumph hier beides anbieten würde, Pfeil- und Kartennavigation. Auf kurzer Strecke reicht sicherlich die Pfeilnavigation, da kann das Handy auch in der Tasche bleiben. Auf Tour würde ich der Kartennavigation den Vorzug geben.
Mein Fazit zur Triumph Tiger 1200 GT Explorer
Die große Tiger hat mir sehr viel Spaß gemacht. Super komfortabel, intuitiv zu fahren, bäriger Antritt, viel mehr kann man sich von einer Reise-Enduro kaum erwarten. Mit ihrer Kombination aus Leistung und Reichweite, gepaart mit wartungsarmen Kardanantrieb hat sie schon fast ein Alleinstellungsmerkmal im Motorradsegment.
Die Serienausstattung lässt kaum Wünsche offen, das semiaktive Fahrwerk hat eine sehr große Bandbreite von Sport bis Komfort und regelt sehr feinfühlig. Wer eine Partnerin für die seeeehr lange Reise sucht, wird hier auf jeden Fall fündig. Der Preis von knapp 22.000 € geht in Anbetracht des Gesamtpaketes aus meiner Sicht völlig in Ordnung. Ja, es ist viel Geld, man bekommt aber auch irre viel Bike zurück dafür.
Und dass die GT Explorer nicht nur weit, sondern auch schnell kann hat sie Ende April bewiesen: mit 4.012 km innerhalb von 24 Stunden hat der Spanier Iván Cervantes auf einer serienmäßigen Triumph Tiger 1200 GT Explorer im Highspeed-Oval von Nardo in Süditalien einen neuen Guinessbuch-Rekord aufgestellt.
Was ich sehr gerne noch herausfinden würde ist, wie sich das Schwestermodell Tiger 1200 Rally Pro im Gelände schlägt. Im Mammut Park gibt es sie als Leihmotorrad, vielleicht buche ich mich da mal für ein Training ein. To be continued.
Edit
Die Kollegen von 1000PS sind die Bosnia Rallye unter anderem mit einer Triumph Tiger 1200 Rally Pro gefahren und kamen mit sehr guten Erfahrungen zurück. Lest hier!
Max
Hmm, also mit seitlich zu öffnenden Koffern tut man sich mMn bei einem Adventurebike ja nicht mehr wirklich einen Gefallen, aber dann greift man vielleicht lieber gleich zum Drittanbieter. 🤔
Alexander
Ja, denke ich auch. Von Triumph gibt es auch Adventure-Koffer, oder man holt sich gleich was von SW Motech oder so.