Heute stand mit dem zweiten Fahrtag die Königsetappe unserer kleinen Tour an, auf der wir die drei höchsten Gipfel der Vogesen unter die Räder nehmen sollten. Doch bevor wir unsere Rösser bestiegen, raubten wir erstmal die kleine Bäckerei gegenüber unseres kleinen Hotels aus und krümelten mit frischen Croissants das Altstadtpflaster voll und spülten mit einem Café au Lait hinterher.

Aufgesattelt und ein kleines Stück zurück gefahren nach Ribeauville ging es Richtung La Pepinière durch ein kleines, kurviges Seitental den Berg hinauf. Wir hätten auf der Hauptstrasse bleiben können, aber wer mit mir des öfteren auf Tour ist, kennt bereits meine Tendenz, die kleineren Sträßchen den Vorzug zu geben. Durch ein schönes Waldgebiet machten wir einiges an Höhenmetern und die Temperaturen wurden merklich frischer. Ein paar Kilometer später ereichten wir mit dem Col de Fréland (831m) unsere erste Passhöhe. Die Sträßchen blieben klein rund um Fréland und über den Col de Chamont (681m) bis wir wieder auf die D415 stießen Richtung Bonhomme. Auch hier bogen wir wieder von der Hauptstrasse ab und nahmen die Nebenstraßen über den Col de Bagenelles (905m) und den Col du Pré des Raves (1.005m) und stiegen hier bereits in die Route des Crêtes, die bekannte Vogesenkammstrasse ein.

Dieser sollten wir für einen großen Teil des Tages folgen. Die 77 km lange Route des Crêtes war ursprünglich eine Militärstraße, die von den Franzosen während des Ersten Weltkriegs zur Versorgung der Armee bei der Eroberung des 1871 an das Deutsche Reich gefallenen Elsass gebaut wurde. Auf dem Gipfelkamm verlief damals auf weiten Strecken die deutsch-französische Grenze, die Grenzsteine sind zum großen Teil heute noch sichtbar.

Nach der Überquerung des Col du Calvaire (1.144m) wurde es Zeit fürs zweite Frühstück, welches wir in einem Café gegenüber des – leider unspektakulären – Lac Blanc einnahmen. Die Blaubeertarte war vorzüglich, die Laune der Gruppe sehr gut.

Auf der weiteren Strecke über den Col du Wettstein (880 m) und Soultzeren über die D417 verliessen wir die Route des Crêtes für einige Kilometer und tauschten schöne Ausblicke von der Kammstrasse gegen kleine, spaßige Kurvensträßchen. Kurz vor dem Col de la Schlucht machten wir am Aussichtspunkt Schluchtrunz Pause für ein paar Aufnahmen. Gerade dieser Streckenabschnitt war ein Genuß, komplett neu asphaltiert schlängelte sich die Strasse den Berg hinauf, auf der rechten Seite Wälder und grobe Felsen, sogar ein in den Felsen gehauener Tunnel und links eine wunderschöne Aussicht in die Vogesen.

Oben auf dem Col de la Schlucht war ich überrascht, wie sehr sich alles verändert hatte seit unserem letzten Besuch vor sechs Jahren. Neue Strassenführung, neue Parkplätze, war der Skilift das letzte mal schon da? Aber keine Zeit zum verweilen, wir machten weiter Strecke.

Kurz hinterm Col bogen wir links auf die D430 ab und befanden uns so wieder auf der Route des Crêtes. Ein paar Kilometer später erreichten wir den Hohneck, mit 1.363 m der dritthöchste Gipfel der Vogesen. Ähnlich wie bei der Edelweißspitze der Großglockner Hochalpenstraße konnte man in Serpentinen auf den Gipfel fahren und wir genossen oben die wunderschöne Aussicht und nutzen die Zeit für unsere Mittagspause.

Für die weitere Strecke hatte ich eigentlich geplant, die Route des Crêtes für die eine oder andere Fahrt ins Tal zu verlassen. Doch auch das 30 Liter-Faß meiner Triumph Tiger 1200 GT Explorer braucht mal einen Refill. Zu Anfang der Tour hatte ich noch gespöttelt, als alle so ihre Restreichweiten verglichen. Ich meinte nur, dass ich frühestens Montag tanken müsste. Na gut, es sollte Sonntag spätnachmittag werden. So wählten wir den etwas direkteren Weg zur nächstgelegenen Tankstelle in Cernay. Diese sollte uns weiter führen über den Col d’Hahnenbrunnen (1.186m), den Marksteinkopf, den Storkenkopf / Col du Flaag (1.233m) zum Col du Grand Ballon, dem höchsten Gipfel der Vogesen. Wir ersparten uns den Aufstieg zu Fuß und umfuhren ihn in weiten, traumhaften Kurven mit schönen Ausblicken ins Tal.

Am Hartmannswillerkopf legten wir eine weitere Pause ein. Der Hartmannswillerkopf war im Ersten Weltkrieg wegen seiner exponierten und strategisch günstigen Lage mit Ausblick in die elsässische und die Oberrhein-Ebene zwischen Deutschen und Franzosen hart umkämpft. Die Gedenkstätte Hartmannswillerkopf erinnert an die gefallenen Soldaten des erbitterten Stellungskriegs. Der bewusste Umgang mit der Geschichte ist mir persönlich immer sehr wichtig. Gerade wenn wir wie auf unserer Motorradreise die Vorzüge eines freien Europas geniessen sollte man sich immer wieder vor Augen führen, dass diese Freiheit nicht selbstverständlich ist und früher auch komplett anders war.

Die Tankstelle in Cernay erreichte ich mit 20 km Restreichweite und mit randvollem Tank und durch ein Tankstelleneis gestärkt machten wir uns auf die restlichen 70 km des heutigen Tages. In Bitschwiller lès-Thann bogen wir links ab und überquerten nacheinander den Col du Hundsruck (748 m), den Col du Schirm (604 m) und umrundeten den Petit Langenberg (933 m). Und weil wir heute noch nicht genug Kurven gefahren waren, nahmen wir kurz hinter dem Tête des Redoutes den Abzweig talwärts auf der D465 bis kurz vor Malvaux, bevor wir wieder umdrehten und den Berg wieder hochballerten. Wieder mal großartige Kurven mit schönen, weiten Radien. Ein Traum.

Oben wieder angekommen erreichten wir mit den Col du Ballon d’Alsace (1.165m) die letzte Passhöhe über 1.000 Metern. Entspannt fuhren wir die letzten Kilometer bis zu unserem Tagesziel, dem Col du Bussang (731m). Auf dessen Passhöhe liegt auch das Moto-Hôtel Col de Bussang in dem wir uns für die Nacht eingebucht hatten. Das Gebäude war früher Grenzübergang, hier lag früher die deutsch-französischen Grenze.

Betrieben wird das Moto-Hôtel von Dimi & Shana, zwei belgischen Motorradreisenden, die zufälligerweise hier landeten und letztendlich das Hotel vom vorherigen Besitzer übernahmen und in Eigenregie renovierten. Und wir hätten es besser nicht treffen können. Tolle Lage, super freundliche Leute, unfassbar gutes Essen und wunderschöne Zimmer. Ganz große Weiterempfehlung! Beseelt vom heutigen Tag und ein bischen betrunken vom Stiefelbier plumpsten wir in unsere Betten.

Unter https://kurv.gr/LEz8K könnt ihr Euch die Route des heutigen Tages herunterladen. Die gefahrene Route war mit 237 km nicht sonderlich lang, liess uns aber genug Zeit für schöne Pausen und ein entspanntes Fahrtempo.