Motorradblog über Benzinkultur, Motorradtouren und Custombikes

Der BMW CE04 Elektro-Roller im Hauptstadt-Dauertest

Vor gut einem Jahr feierte derBMW CE04 seine Premiere, damals hatte ich ihn auch hier im Blog vorgestellt (dort findet ihr auch alle technischen Daten). Sein Vorgänger C Evolution – gebaut von 2014 bis 2020 – war der erste elektrisch angetrieben Grossroller aus dem Hause BMW und fand knapp 9.000 Abnehmer. Er war auch 2014 das erste Zweirad mit Elektroantrieb, welches ich fahren durfte. War es damals nur ein kurzer Ausritt mit dem C Evolution, konnte ich in den letzten Wochen den CE04 ausgiebig testen.

Die Haupt-Teststrecke sollte mein neuer Arbeitsweg werden. Pro Tag 2×30 Kilometer aus dem Nordosten von Berlin bis in den Südwesten kurz vor Potsdam mit einer Mischung aus Stop-and-Go-Verkehr, Stadtautobahn und Autobahn. Im Vorfeld dachte ich mir noch, dass die angegebenen 130km Reichweite reichen würden, um alle zwei Tage zu laden.

Fahrdynamik

Nach der Fahrzeugübernahme machte ich mich erstmal mit den Dimensionen des CE04 vertraut. Vor allem mit den Dimensionen, denn er ist lang, seeehr lang. Wie lang? Das seht ihr hier im Vergleich mit unserem NIU MQi:

Beide Roller stehen mit dem Hinterrad auf gleicher Höhe.
1.675 mm Radstand und 235kg treffen auf 1.389 mm und 115kg.

Mit einem Leergewicht von 231 kg ist der Roller auch nicht gerade drahtig geraten, zumindest hat er aber zum Vorgänger schon 44 kg abgespeckt. Ähnlich schwer ist z.B. der Honda X-ADV Großroller. Und ähnlich stabil wie der X-ADV läuft auch der CE04, wenn er rollt. Der lange Radstand und der tiefe Schwerpunkt erden das Gefährt merklich.

Dank Keyless Ride kann der Schlüssel in der Tasche bleiben. Anschalten, Bremse ziehen und Startknopf drücken und los gehts. Nach erstem vorsichtigen Anrollen zupfte ich bei den kommenden Ampelstarts immer mehr am Strom. Und die Macht, mit der der CE04 bereits im ECO-Modus anschiebt, ist sensationell. Wer es dramatischer haben will, der arbeitet sich durch die weiteren Modi Rain, Road und Dynamic. Im letzteren lässt Du jeden Verbrenner stehen. Jeden: nach 2,6 Sekunden stehen 50 km/h auf dem Display. Und begleitet wirst Du von den mechanischen Fahrgeräuschen, die sich anhören wie das Raumschiff Enterprise kurz vor dem Sprung auf Warp 10. Der Nachteil: man muss häufiger als gewohnt auf die Tachoanzeige schauen, weil man tendenziell immer zu schnell unterwegs ist.

Mopsgeschwindigkeit in 3, 2, 1

Der Motor leistet A2-konforme 31 kW (42 PS) leistet der Antrieb und beschleunigt den Roller auf eine elektronisch abgeregelte Spitzengeschwindigkeit von 120 km/h. Eine 11 kW-Version für A1- und B196-Führerscheininhaber gibt es ebenfalls.

Im Vergleich zu meinen deutlich kürzer bauenden Rollern ist der CE04 nicht ganz so wendig im Stadtverkehr. Das Zirkeln in engen Lücken oder fahren enger Radien muss bedachter ausgeführt werden. Ebenso muss man sich beim Fahren enger, langsamer Kurven erst mal an das Gewicht des Rollers gewöhnen. Anders gesagt: auf dem Dragstrip fühlt sich der CE04 wohler als auf einem Handlingparcours.

Fahrkomfort

Das Fahrwerk sorgt für Stabilität, die Federung ist straff, aber immer noch komfortabel. Mutet die Sitzbank bei erster Betrachtung eher dünn an, war sie aber bequem. Bei den täglich 1,5-2h die ich auf dem Roller saß, fing nix an im Gesäß zu zwicken.

Die Sitzposition ist fast chopperesk, vor allem wenn man die Füße ganz vorne auf das Trittbrett stellt. Die kleine Querwulst in der Sitzbank macht erstaunlich viel Sinn, man kann sich da sehr gut andocken. Quasi der Unterlegkeil, dass es einen bei maximaler Beschleunigung nicht von der Sitzbank schiebt.

Für den Sozius ist optisch sehr wenig Sitzbank übrig, aber sowohl die Gattin als auch Sohn II lobten den Sitzkomfort. Es ist mangels anderer Festhaltemöglichkeiten übrigens unumgänglich, sich an den Fahrer zu klammern, um nicht abgeworfen zu werden. Und bei allen interessanten Designdetails am Roller muss man sich allerdings fragen, was sich BMW bei den Soziusfussrasten gedacht hat. Hattet ihr die vergessen und nachträglich schnell rangeschraubt? Das kann man eleganter lösen.

Ein Nachteil der langgestreckten Sitzposition ergibt sich bei Regen: es wird deutlich nasser im Schritt als im Vergleich zu meiner Vespa 300 GTS, bei der ich eine deutlich aufrechtere Sitzposition habe.

ABS ist an Bord und auf Wunsch und Aufpreis sogar als Kurven-ABS zu haben. Gewöhnungsbedürftig, aber nicht störend fand ich die je nach Modus sehr starke Rekuperationsverzögerung. Im Eco-Modus im Stadtverkehr musste ich die Bremse in den seltensten Fällen benutzen, um zum Stehen zu kommen. Das serienmässige ASC verhindert das Durchdrehen des Hinterrads bei schlechterer Oberflächentraktion, das aufpreispflichtige DTC regelt durch die zusätzliche Schräglagen- und Beschleunigungsinformation feiner und komfortabler.

Laden und Reichweite

Eine Reichweite von 130 km verspricht der CE04, theoretisch sollte es damit für mich reichen, zwei Tage zur Arbeit und zurück zu fahren ohne laden zu müssen. Meine Arbeitsroute ist eine Mischung von 10 km Stadtverkehr (ø 30 km/h), 8 km Stadtautobahn (ø 60 km/h) und 14 km Autobahn (ø 80 – 100 km/h). Im Stadtverkehr war der Stromverbrauch unauffällig, aber je mehr und schneller es auf der Autobahn wurde konnte man der Batterieanzeige beim Fallen zusehen. Im Schnitt verbrauchte ich für die 60 Tageskilometer 60% der Akkukapazität, also 1% pro Kilometer. Bedeutete also für mich jeden Abend laden.

Was mich vor die nächste Herausforderung stellte. Wir haben zwar einen Parkplatz in der Großgarage unserer Wohnanlage, aber an Strom hatte irgendwie keiner gedacht. Das mitgelieferte Ladekabel hat eine Länge von fünf Metern und die Verwendung von Verlängerungskabeln ist ausdrücklich verboten. Wie ich dann aber herausfand, beträgt der Abstand von der Steckdose am Fenster des Kinderzimmers durch das schmale Stück Garten und die Hecke bis zum CE04 exakt selbige fünf Meter. Den Roller musste ich dann aber auch ganz eng an den Zaun parken, da war nicht viel Spiel. Wie gut, dass wir im Erdgeschoss wohnen. Und ich wusste die herausnehmbaren Akkus unsere NIU noch mehr zu schätzen.

Das Laden an sich geht relativ schnell: an der 220 Volt Haussteckdose lädt der entladene CE mit einer Ladeleistung von 2,3 kW in knapp 4 Stunden und 20 Minuten wieder voll auf. Mit 6,9 kW und dem C2-Stecker der üblichen Ladestationen geht es in einer Stunde und 20 Minuten wieder hoch auf 100 Prozent. Etwas schneller geht es bei der 11 kW-Version.

Bedienelemente und Display

In Cockpit dominiert das 10,25“ TFT-Display, welches die allgemeinen Fahrinformationen und Daten zum Fahrzeug bereit hält und wenn BMW Motorrad Connectivity mit dem Fahrzeug gepairt ist, lässt sich von Navigation bis zu Musik und Telefonie so ziemlich alles machen, was man sich so vorstellen kann. Die Bedienung erfolgt BMW-typisch über das Rändelrad am der linken Lenkerarmatur. Das Handy findet seinen Platz im belüfteten Staufach links, ein USB-C-Anschluss versorgt das Endgerät mit Strom.

Ehrlicherweise hat mich die App und das Navi nicht wirklich glücklich gemacht. Dazu bin ich viel zu sehr von Apple Car Play verwöhnt, was bei BMW übrigens im Autobereich durchaus verfügbar ist. Gerade die Darstellung von Google Maps finde ich um Welten besser, als was mir die BMW App aufs Display zaubert.

Auch die Bedienung und die Menüaufteilung empfand ich nicht als selbsterklärend. Ein gutes Interface sollte sich auch einem ohne große Erklärung erschliessen und nicht erst nach Lektüre von 25 Seiten der über 250 Seiten umfassenden BMW Betriebsanleitung. Gerade wenn man unterwegs ggf. während der Fahrt eine Anzeige umstellen möchte sollte das schnell und intuitiv möglich sein. Gerne dürfen mir hier erfahrene BMW-Display-Fahrer widersprechen.

Was mir sonst noch auffiel

Der CE04 verfügt über eine elektronische Rückfahrhilfe, die man über den R-Knopf an der linken Armatur aktiviert, ein sanfter Zug am Gas lässt dann den Roller mit bis zu 3 km/h rückwärts rollen. Auf ebenem Terrain braucht es das aus meiner Sicht nicht, aber wenn es mal leicht aufwärts geht, ist das sicherlich hilfreich, um die 231 kg zu bewegen.

Das seitlich öffnende Staufach unter der Sitzbank ist praktisch und fasst einen Integralhelm, was ich sehr praktisch finde. Mein XL-Helm passt da gerade so rein. Platz für anderes – zum Beispiel die Ladekabel – ist dann nicht mehr. Es sei denn man hat eine Seitentasche aus dem Zubehör wie an meinem Modell, dann können die da unterkommen.

Zusätzliches Gepäck kann für kurze Strecken auf auch der Schräge im Durchstieg transportiert werden. Verzurrmöglichkeiten gibt es da aber nicht. Das ist bei meiner Vespa oder dem NIU-Roller besser gelöst, da bekommt man locker eine große Einkaufs – oder auch Reisetasche unter.

Interessant: die bei E-Scootern vorgeschriebene Feststellbremse am Lenker findet sich beim CE04 nicht. Sie ist stattdessen mit dem Seitenständer kombiniert, wird der ausgeklappt, stellt die Bremse scharf.

Die Reaktionen auf das Design des CE04 waren klar: entweder fanden die Leute es spannend und futuristisch oder hässlich. Auf ambivalente Meinungen bin ich nicht gestossen. Persönlich gefällt mir das Hintenrum sehr gut, die gestreckte Linie, die Formen, die freischwebende Sitzbank, das alles ist für mich sehr stimmig. Mit dem Vornerum werde ich nicht warm, es ist mir zu wuchtig und zu Honda-Vultuesk.

Mein Fazit

Die Antwort auf welche Frage ist denn nun der CE04? Auch wenn ich jetzt Äpfel mit Birnen vergleiche, möchte ich den CE04 in Relation zu meiner Vespa 300 GTS und dem NIU MQI GT stellen.

Die Vespa macht den Pendeljob genauso gut wie der CE04, gleiche Endgeschwindigkeit bei deutlich langsamerer Beschleunigung (was relativ ist, sie kommt schon sehr schnell von der Linie, aber ist kein Vergleich zum CE04). Die Vespa bietet besseren Schlechtwetterschutz und bessere Transportmöglichkeiten (nutzbarer Durchstieg und Staufach unter der Sitzbank), obwohl ich da keinen Helm unterbringe. Mit ihr muss ich im Schnitt alle drei Tage tanken statt jeden Tag laden wie beim CE04. Sie kostet neu ungefähr die Hälfte vom BMW Roller. Aber sie ist kein Elektroroller.

Der NIU ist das hingegen. Für die Stadt bietet er viel mehr Wendigkeit, ist aber von den Fahrleistungen überhaupt nicht mit dem CE04 vergleichbar. Gut, wir fahren die 70 km/h-Variante, die Evo-Variante kommt auch auf 100 km/h. Mit der würde ich mich auch auf die Autobahn trauen, mit 70 km/h nicht. Aber für alles ausserhalb der Stadtautobahn ist der NIU absolut ausreichend, die herausnehmbaren Akkus sind für unsere Ladesituation perfekt. Aber für die Pendelstrecke ist der NIU nicht geeignet, es sei denn ich meide die Autobahn, was aber den Fahrweg um 30% länger machen würde. Aber er kostet auch deutlich weniger als die Hälfte des BMW Rollers.

Der Basispreis für den CE04 beträgt 12.500 €, so wie mein Testroller ausgestattet war reden wir über 14.500 €. Bei aller Begeisterung für die Fahrdynamik dieses Rollers: diese Summe will man schon ausgeben wollen. Gut, man bekommt BMW-Qualität und -Prestige. Wer elektrisch unterwegs sein will, bekommt auch für weniger Geld valide Optionen (hier findet ihr eine Übersicht). Aber wir sind hier ja im Premium-Segment unterwegs, da hat das Adjektiv „preiswert“ andere Konnotationen.

Persönlich habe ich die drei Wochen mit dem CE04 sehr genossen, vor allem wegen der unfassbaren Fahrdynamik. Und ich finde es wichtig, dass BMW als Großserienhersteller auch das Elektrik-Segment bespielt, mit dem CE04 sind sie im Großroller-Segment auch nahezu konkurrenzlos.

Meine Empfehlung: wenn ihr die Gelegenheit habt, testet mal einen CE04. Die Dynamik muss man mal erlebt haben,

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TWNSPRK #42 – Lea Rieck

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Dominator-Update: es gibt immer was zu schrauben

  1. Sehr cool beschrieben.
    Ich bin ja auch ein C evolution-Angefressener, der trägt die Schuld an allem ..

    Tja .. das mit dem 1 km pro % kenn ich von meiner SR/F auch. Kaum lässt man die Elektronen mal fließen, gehts abwärts mit dem Akku.

    Beste Grüsse aus den Bergen!
    Jürgen

  2. Max

    Optik hin oder her, die Vultus war ja auch so ein Batmobil.

    Aber gibt es da wirklich keine Haltemöglichkeit für den Sozius? Das finde ich merkwürdig, da dies doch, wimre, für den TÜV relevant ist.

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