Das Enduro Action Team muss ich euch wohl kaum vorstellen. In einem der größten Offroad-Parks in Deutschland bietet das Team um Gründer Robert Loschütz seit nunmehr 10 Jahren Offroadtrainings für Großenduros an. Ebenso finden sich auch Enduro-Events und -Reisen im Portfolio. Einer der größten Events im letzten Jahr war sicherlich der GS Trophy Qualifier, bei dem sich die drei besten Fahrer und die zwei besten Fahrerinnen qualifizieren konnten für die GS Trophy 2022 in Albanien (die just in dieser Woche in der dieser Artikel live geht stattfindet).

Das Trainingsgelände des EAT

Zwischen Dahlener Heide und Leipzig befindet sich in einem 120 Hektar großen Tagebau das Trainingsgelände für Reiseenduro-Trainings. Das Enduro-Gelände des Steinbruchs umfasst rund 80 Hektar. Auf diesem weitläufigen Gelände erwarten dich eine vielfältige Topographie und verschiedenste Untergründe: während des Endurotrainings bekommt man Asphalt, Schotter, Kies, Wiesen, Wasser und Feldwege unter die Räder.

Um einen Eindruck vom Gelände zu bekommen hier zwei Videos. Das erste ist von Enrique, der zusammen mit Tim und Patrick den GS Trophy Qualifier gewonnen hat und bei der diesjährigen GS Trophy mitfährt. Hier bekommen sie gerade ihre Trophy Bikes und ballern damit ordentlich durch den Enduropark.

Checkt auch Enriques YouTube-Kanal, er hat einige Videos rund um das Qualifying zur GS Trophy gemacht.

Das zweite Video ist von Johnny und Haui, die 2020 beim FEAR Event des EAT mitgefahren sind. Hier seht ihr auch viele Passagen des Geländes und bekommt einen Eindruck von diesem Event.

Wie wir zum Offroadtraining kamen

Im letzten Jahr waren Carina – mit der ich den TwinSpark Podcast moderiere – und ich bei Amelie Mooseder in ihrem Instagram Weihnachtskalender zu Gast. Dort stellte sie uns die Frage, was wir uns für das neue Jahr vornehmen würden. Und beide antworteten wir unabgesprochen, dass wir offroad fahren lernen wollten. Amelies Ziel war es, Instruktor zu werden. Und so kam, wie es kommen musste: wir standen ein paar Monate später beim Enduro Action Team, vor uns Amelie als zertifizierte Instruktorin, neben ihr zwei BMW R1250 GS, die wir zwei Tage unter Amelies Anleitung durchs Gemüse treiben sollten.

Da Carina und ich nur geringe Vorkenntnisse hatten, hatten wir uns natürlich ein Einsteigertraining ausgesucht. Carina hatte zuvor einmal ein Offroad-Training in Hechlingen absolviert, ich eines beim ADAC in Linthe. Gemeinsam waren wir im letzten Jahr einen Tag Elektro-Enduro fahren im Electric Ride Park in Hardegsen. Fundierte Offroad-Kenntnisse sehen anders aus.

Tag 1: Technikaufbau und Praxisübungen

Aufgeregt wie kleine Kinder vor Weihnachten übernahmen wir unsere Bikes und fuhren von der EAT-Basis zum Trainingsgelände. Vor dem Trainings-Start hieß es aber erstmal aufwärmen, um die Gliedmassen und Muskeln zu aktivieren. Danach suchten wir uns einen Bereich auf dem Gelände, in dem wir trainieren konnten. Die Gewitterfront vom Vortag machte sich auf dem Gelände bemerkbar in Form von Auswaschungen und Pfützen, die teilweise ungeahnte Ausmasse annahmen. Manche Durchfahren waren so tief, dass uns das Wasser oben in die Stiefel lief. Aber wir waren ja da, um uns schmutzig zu machen.

Das Training fing an mit den Basics wie der richtigen Standposition auf dem Motorrad, das Power-Dreieck. Es folgten Kurventechniken, bergauf- und bergab fahren, Stoppen am Hang, Bremstechnik, Blickführung, das volle Programm.

Wir hatten den Riesenvorteil, dass wir nur zu zweit mit Instruktorin unterwegs waren. Wir bekamen super schnell Feedback und konnten so die Techniken rasch anwenden und verfeinern. Nach jeder Technik-Einheit wurde das gerade erlernte im Fahren angewandt. Das weitläufige Gelände bot für alles den richtigen Übungs-Ort und Amelie steigerte nach und nach den Schwierigkeitsgrad aber überforderte uns nie.

Unsere Lernkurve überraschte nicht nur uns, sondern auch Amelie. Am Ende der beiden Tage verbot sie uns ausdrücklich, je wieder ein Anfängertraining zu buchen. Unter Fortgeschritten sollte hier nix mehr gehen. Entsprechend euphorisiert waren wir natürlich, als wir abends in unsere Pension fuhren.

An dieser Stelle möchte ich Euch den Pferdehof Meltewitz, in dem wir untergekommen waren, dringend ans Herz legen, wenn ihr dort in der Gegend seid oder selber ein Training plant. Bei der Wirtin Birgit seid ihr aufs herzlichste willkommen, sie hat sich voll auf Motorrad-Gäste eingestellt, es wird auch keiner komisch angekuckt, wenn er oder sie komplett vermoddert vom Training kommt. Im Innenhof, im Frühstücksraum oder im Gewölbekeller habt ihr genug Möglichkeiten, Euer Stiefelbier mit den anderen Motorrad-Gästen zu nehmen, hier seid ihr absolut unter Gleichgesinnten.

Tag 2: Fahren, Verfeinern und Spaß haben

Der zweite Tag begann kühl, aber trocken und sonnig. Die Regenpelle konnte heute also in der Pension bleiben. Nach der – diesmal gemeinsam mit der Profigruppe – durchgeführten Aufwärmung machten wir uns daran, das am Vortag gelernte zu wiederholen und zu verfeinern. Wir legten den Fokus unter anderem auf das Fahren von engen Kurven nah am Lenkanschlag. Und noch mehr wuchs die Erkenntnis, dass die erlernten Techniken voll Sinn machen und ich merkte, dass einiges schon ins Muskelgedächtnis übergegangen war, ich also nicht bewusst dran denken musste. Als ich eine zeitlang langsame Achten fuhr und im Wechsel laufend das Körpergewicht verschob, das kurvenäußere Knie auf dem Boxerzylinder ablegte, die Brust nah zum Lenker verschob kam mir das fast schon meditativ vor, ein bisschen wie Tai-Chi. Großartig.

Amelie hatte uns für den Tag zwei Überraschungen versprochen. Die erste bekamen wir kurz vor dem Mittagessen serviert. Eine der Spezialitäten des EAT ist das Labyrinth im Maisfeld. Der Hintergrund: einer der Instruktoren beim EAT ist Landwirt und zweckentfremdet seine Felder teilweise fürs Endurofahren. In diesem Fall hat er in seinem Maisfeld beim Pflanzen Lücken in den Reihen gelassen aus denen später ein befahrbares Labyrinth entsteht. Beim GS Trophy Qualifier war es zum Beispiel in der Form des GS-Logos gehalten.

Das Labyrinth war der passende Ort, um die ganzen erlernten Skills spielerisch umsetzen zu können. Balance halten, enge Kurven meistern und bei all dem die Orientierung nicht verlieren. Die Profi-Gruppe kam kurz nach uns am Feld an und es sah sehr lustig aus, die anderen Fahrer im Maisfeld zu beobachten, man sah meistens nur die Helme herausragen. Nach dem entnehmen von ein paar Bodenproben fanden wir unseren Weg wieder aus dem Feld heraus und stärkten uns erstmal beim Mittagessen.

Den Nachmittag verbrachten wir nicht nur auf dem Trainingsgelände sondern auf wunderschönen Feld- und Waldwegen in der Gegend, die alle legal befahrbar sind. Richtig geil. Auf dem Gelände selber steigerte Amelie den Schwierigkeitsgrad für uns abermals. Zum einen fuhren wir auf der Motocross-Strecke Gefälle herunter, die wir uns 24 Stunden vorher nie im Leben herunter getraut hätten. Zu Fuß vielleicht, aber nicht mit einem Motorrad mit dem Gewicht einer Vierteltonne. Auch bei der Anfahrt zum Aussichtspunkt über dem Steinbruch meinte Amelie nur „das wird ein bisschen anspruchsvoller, da müsst ihr aber nur das Gas stehen lassen!“. Ok, so ballerten wir mit 30 km/h einen schmalen Trampelpfad hoch auf dem faustgroße Steine das Fahrwerk tanzen ließen. Wir hatten komplettes Vertrauen in Amelie: wenn sie sagt, dass wir das können, schaffen wir das auch. Das half mir ungemein, meine eigenen Zweifel abzulegen und mich unvoreingenommen der jeweiligen Fahraufgabe zu stellen. Und bei Carina, die am Samstag morgen noch mega aufgeregt war, hatte sich auch ein riesiges Selbstvertrauen aufgebaut.

Wie groß das war, sollte sich beim Finale des Tages zeigen. Schon am Aussichtspunkt hatte uns die von Robert geführte Profigruppe eingeholt. Von da an folgten wir der Gruppe – etwas langsamer zwar, auch auf denselben Pfaden – bis wir an einem abgeernteten Acker anhielten. Hier erwartete uns die angekündigte, zweite Überraschung. Wir durften Ackersurfen. Carina hatte an Tag 1 geäußert, dass sie das super gerne machen wollte, zu dem Zeitpunkt hatte Amelie die Erwartungen noch etwas beschwichtigt. Einen Tag später standen wir aber nun hier und schauten zunächst Amelie und Robert zu, wie sie in einem großen Oval über den Acker ballerten. Und wir sollten das nun auch machen. Und hier hatte ich dann doch einen kleinen „Mimimi“-Moment und musste an meinen Sturz beim Offroad fahren im letzten November denken. Aber dann ermutigte mich das „Attacke“ mit dem sich Amelie und Carina auf den Acker machten. Schließlich hatten wir nun zwei Tage die notwendigen Techniken gelernt und wußten, auf was wir achten mussten. Es war trotzdem eine Mischung aus „Fuck ist das geil!“ und „Eieieiei, geht das gut?“ sie sich in meinem Kopf abspielte. Aber hey: wir waren als Noobs angetreten und nun ballerten wir mit teilweise 60-70 Sachen über den grobfurchigen Acker. Besser geht es nicht.

Mit der BMW R1250 GS im Gelände

Ein paar Worte möchte ich noch verlieren über die R1250 GS. Ich war sehr neugierig auf die Maschine, hatte ich sie noch nie die Gelegenheit, eine zu fahren. Man begegnet oft zwei Meinungs-Polen, wenn es um diese Maschine geht. Die einen lieben Sie, die anderen haben eher eine Abneigung: „Fährt ja jeder!“. Zugegebenermassen kann man keine Motorrad-Ausfahrt oder -Tour unternehmen, ohne der Boxer-GS zu begegnen.

Persönlich bin ich ja eher der Freund leichterer Motorräder wie meiner ehemaligen Yamaha MT-07 oder meiner aktuellen Honda Dominator. Daher hatte ich Anfangs meine Zweifel, ob ich mit der großen GS zurechtkommen würde, zumal im Gelände.

Und wie ich eines besseren belehrt wurde. Die Vorteile des Boxermotors kannte ich bereits von der R nineT, zuletzt gefahren auf der diesjährigen Tour. Der tiefe Schwerpunkt des Boxers sorgt für ungeahnte Fahrstabilität, man bekommt sofort Vertrauen ins Fahrzeug. Das Drehmoment schiebt ab Leerlaufdrehzahl super an. Qualitäten, die nicht nur auf der Straße, sondern auch im Gelände ungemein hilfreich sind. Egal welche Auf- oder Abfahrt man nimmt, wieviel Schub oder Verzögerung man braucht, die Maschine absolviert alles in einer Ruhe und Gelassenheit, die ich so noch nicht erlebt hatte. Die Fahrmodi sind exzellent abgestimmt, ab und zu blinkt mal das Lämpchen der Traktionskontrolle, aber man merkt überhaupt keine Unruhe im Antriebsstrang.

Auch das Handling hat mich überrascht. Ob enge Kurven oder Singletrails, die kaum breiter als der Lenker waren, wir kamen überall durch ohne anzuecken. Das Gewicht der Maschine spielte überhaupt keine Rolle. Erstaunlicherweise auch beim Aufheben nicht, da die Maschine sich in dem allermeisten Fällen selber auf den Zylinder ablegt, hat man einen viel angenehmeren Winkel und Hebel, um das Gefährt wieder in die Senkrechte zu bekommen.

In a nutshell: ich versteht euch jetzt voll, liebe Boxer-GS-Fahrer.

Fazit

Wenn ich ganz, ganz ehrlich bin und ich meine bisherigen Motorraderlebnisse dieses Jahr in der Retrospektive betrachte: dieses Wochenende war das geilste, was ich 2022 auf dem Motorrad erleben durfte. Da muss auch die Gardasee-Tour hintenan stehen. So viel gelernt und erlebt habe ich in so kurzer Zeit noch nie. Spätestens jetzt bin ich vollkommen angefixt, was offroad fahren angeht. Oder wenn ich Carina zitieren darf: „… ich habe so hart Bock auf Enduro fahren!“

Auf dem Aussichtspunkt über dem Steinbruch, alle happy!

Unser riesengroßer Dank gilt Amelie und Robert, ohne die wir dieses tolle Erlebnis nicht gehabt hätten. Danke, dass ihr uns ein so derbes Grinsen unter den Helm gezaubert habt. Wir kommen wieder, versprochen!

Robert Loschütz beim TwinSpark Podcast

Am Ende des zweiten Tages hat sich Robert noch Zeit genommen, um uns im Podcast seinen Motorrad-Werdegang und die Geschichten aus zehn Jahren EAT zu erzählen. Es war wirklich sehr kurzweilig, hört hier gerne rein:

Am 9. September folgt dann der zweite Teil des Podcasts mit einem angeregten Talk mit unserer Instruktorin Amelie.