Nachdem ich 2015 auf der BMW R nineT meine erste Alpentour gefahren bin, wurde ich 2022 zum Wiederholungstäter und räuberte auf dem Alpenblitz 2022 mit einer R nineT Scrambler über die Passkurven rund um den Gardasee. Sowohl die R nineT als auch ich hatten in der Zwischenzeit sieben Jahre um zu reifen und besser zu werden.

Die Unterscheide der Scrambler zu ihren beiden mitfahrenden Schwestermodellen umfassen im wesentlichen die folgenden Punkte: 19 Zoll-Vorderrad, schmaleres 17-Zoll-Hinterrad, schmalere Reifen, längere Federwege, weichere Feder hinten, konventionelle Gabel, flacherer Lenkkopf, längerer Nachlauf.

Der Fahrkomfort

Die BMW R nineT Scrambler bietet mit 125 mm vorne und 140 mm hinten einen spürbar längeren Federweg als die BMW R nineT Pure mit 120 mm vorne und 120 mm hinten. Es sitzt sich entspannter auf der Scrambler und der Kniewinkel ist auch etwas reisetauglicher – die Sitzhöhe bei Leergewicht beträgt bei der Scrambler 820 mm vs. 805 mm bei der Pure, ebenso ist die Schrittbogenlänge bei der Scrambler 45mm größer als bei der Pure.

Wenn am Ende eines langen Fahrtages trotzdem der Allerwerteste zwickt, dann liegt das eher an der dünnen Sitzbank. Die hat mich schon 2015 gestört, hier würde ich am ehesten Abhilfe schaffen. Zahlreiche Zubehörlösungen sind hier ja bereits am Markt, die auch die originale Optik wieder aufgreifen.

Der Antrieb

Der Boxermotor der R nineT bleibt eine Macht. Durch den tiefen Schwerpunkt bekommt man sofort Vertrauen in und ein gutes Gefühl auf der Maschine. Beim luft- /ölgekühlten Boxer wurde der Leistungs- und Drehmomentverlauf optimiert und im Bereich von 4.000 – 6.000 U/min gesteigert. Das Spitzendrehmoment liegt dabei weiterhin bei 116 Nm bei 6.000 U/min. An Leistung mangelt es in keiner Fahrsituation, gerade bei sportlich angegasten Bergauf-Fahrten kommt sehr viel Laune auf.

In Spitzkehren sollte man die Drehzahl aber nicht zu sehr in den Keller fallen lassen, sonst rumpelt der Boxer erst mal einen Moment, bis er wieder anschiebt. Hier also lieber einen Gang tiefer wählen.

Mit dem Getriebe bin ich nicht wirklich glücklich geworden. Die Suche nach dem Leerlauf aber auch das Einlegen des ersten Gangs waren oftmals mühsam und gelangen erst mit Nachdruck. Die bei der Scrambler (und auch bei der Pure) fehlende Ganganzeige habe ich daher bei Wendemanövern vermisst. Ich dachte schon ich wäre im tiefsten Gang, hing aber noch im zweiten fest, was das Bergauf anfahren nicht einfacher machte.

Was sich leider nicht verbessert hat, ist der Klang. Euro5 hin und Tirol-Tauglichkeit her. So begeistert ich 2015 vom Sound war, so enttäuscht bin ich es jetzt. Und es geht mir nicht um mehr Lautstärke, sondern um mehr Volumen und Charakter.

Scrambelt sie auch gut?

Eines der Dinge, die ich auf der Tour herausfinden wollte, sind die Fähigkeiten der Scrambler abseits perfekt geteerter Strassen. Vor allem unser Fahrtag auf den Croce Domini war hierfür ein perfektes Terrain.

Bei Feldwegen und aufbrechendem Asphalt auf alten Gebirgssträßchen habe ich mir überhaupt keinen Kopf gemacht. Die Maschine schnürte unbeirrt nach vorne. Auf dem teilweise sehr groben Schotter auf der Dosso Alto Höhenstrasse habe ich mir dann doch an manchen Stellen meine F800GS mit 21 Zoll Vorderrad gewünscht. Da mag auch hier und da der Respekt mitgefahren sein, schliesslich war das nicht mein Motorrad sondern eine fabrikneue Fuhrparkmaschine. Ohne Sturzbügel. Sprich: das Motorrad hätte hier sicherlich mehr gekonnt als der Fahrer.

Große Tour – grosses Gepäck?

Zugegebenermassen: an eine maximalbekofferte GS kommt man hinsichtlich Stauvolumen mit der Scrambler nicht ran. Aber mit etwas gutem Willen, einem Tankrucksack und einer großen Hecktasche hinten drauf – wir hatten Taschen verschiedener Hersteller dabei mit einem Fassungsvermögen zwischen 30 bis 48 Litern im Einsatz – kommt man auch gut und gerne durch eine Tourwoche in den Alpen.

Am meisten Spaß hatten wir an den Fahrtagen um den Gardasee, an dem wir ohne Gepäck unterwegs waren. Es fährt sich einfach leichter und unbeschwerter. Und „fare una bella figura“ ist dann auch einfacher, wenn man in Italien unterwegs ist.

Fazit

Mit der BMW R nineT Scrambler bewegt man eine verdammt gut aussehende Maschine mit einem Sahnestück von Motor – Boxer in Reinkultur. Für die längere Tour muss man etwas Sitzfleisch mitbringen, aber mit ihr ist man beim Kurven jagen auch auf den kleineren Alpenpässen weit vorne dabei. Mit 14.320 € liegt sie gleichauf mit der Urban G/S und nur 500 € über der Pure genannten Basisversion. Zum Vergleich: bei Triumph muss man für eine Scrambler 1200 XC 14.295 € mitbringen, Ducati ruft für seine 1100 Scrambler Dark Pro 13.590 € auf. Alles gut aussehende Maschinen, aber wer seine zwei Zylinder gerne gegenüberliegend haben möchte, für den gibt es nur eine Option.