Bei strahlendem Sonnenschein – und der soll zu dieser Jahreszeit dort angeblich nicht üblich sein – mache ich mich auf den Weg in Richtung Nürburgring. Triumph hat eingeladen zu den Media Days und da lässt man sich natürlich nicht zwei mal bitten, zumal die neue Tiger 1200 präsentiert wird. Mit anfassen, drauf setzen und in den Dreck legen. Das ganze findet leider nicht direkt auf dem Nürburgring statt, aber schon bei der Anreise schlängeln sich die Straßen so schön bergauf und bergab, dass ich direkt traurig bin, dass ich aus Kilometergründen mit dem Auto anreisen musste.

Abends gibt es dann ein erstes Kennenlernen mit einigen Mitfahrern für den nächsten Tag. Erwartungen werden ausgetauscht, ein paar Kaltgetränke vernichtet und trotz ausgelassener Stimmung gehen die meisten vorbildlich früh ins Bett. Jeder möchte für morgen fit sein.

Am nächsten Morgen geht es dann zum Fahrsicherheitszentrum am Nürburgring. Und da stehen sie schon hübsch aufgereiht. 24 wunderschöne Triumph Tiger 1200. Ein bunter Mix aus allen Farben, Modellen und Ausstattungen. Mein erstes Treffen mit dem Tiger fühlt sich schon mal gut an. Direkt fällt mir eine Farbe auf, die sich – wie ich inzwischen weiß – „matt khaki green“ nennt. Passt hervorragend zu meiner grünen Brille und matt finde ich grundsätzlich auch fast immer eine gute Idee.

Rally vs. GT

Da ich ja momentan einfach total auf Dreck, Schotter und Schlammpisten abfahre, hab ich aktuell eher ein Auge auf die Rally Version der neuen Tiger 1200 geworfen. Zum Glück, das „matt khaki green“ gibt es bei der GT nämlich nicht. Ansonsten unterschieden sich die beiden vor allem bei der Reifengröße: 21 Zoll Vorderreifen vs. 19 Zoll Vorderreifen.

Das eher straßenorientierte GT Modell verfügt außerdem über Gussfelgen im Gegensatz zu den Speichenfelgen der Rally. Serienmäßig kommen sie dementsprechend auch mit unterschiedlicher Bereifung daher. Abgespeckt haben beide Modelle: mit 245/249kg (255/261kg in der Explorer Version), haben sie im Vergleich zum Vorgängermodell bis zu 25 Kilogramm verloren.

Erstmal auf die Straße

Logo hab ich mir dann für die erste Runde der Testfahrt so eine grüne Reisemaus geschnappt. Generell gefällt mir die Optik ziemlich gut. Kräftiges auftreten, ohne zu erschlagen. Um das Motorrad wirklich auf Herz und Nieren testen zu können, gab es die Möglichkeit auf der Straße und im Gelände richtig Gas zu geben. Trotz angesagter 30 Grad, wollte ich mich zuerst auf der Straße mit der Großkatze anfreunden. Und das haben wir.

Der Dreizylinder ist wirklich für schaltfaule Menschen gemacht. Dank der T-Plane-Kurbelwelle vereint die Tiger alle Vorteile eines Zwei- und eines Dreizylinders. Das merkt man schon allein am Sound in den verschiedenen Drehzahlbereichen. Hier möchte ich gerne eine Mitfahrerin zitieren: „Der Motor lebt!“ Dank der 150 PS fällt es mir schon schwer, mich an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit zu halten. Erst recht, weil ich kaum Schalten muss und wenn es dann ausnahmsweise doch mal nötig wird, dann funktioniert das Dank Quickshifter sogar ohne Hände. Gerade in den Spitzkehren fällt mir sehr positiv auf, wie einfach sich die Tiger da durch schlängelt. Kippt und fährt fast von alleine durch.

Immer nur sitzen ist ja langweilig

„Kleine“ Frau, auf großer Maschine

Auch die Sitzposition ist für mich mit meinen 180cm Körpergröße fast ideal. Mit einer Sitzhöhe von 850 bis 895 mm (je nach Modell), könnten kürzere Mitmenschen da durchaus das ein oder andere Problem bekommen. Doch hier soll eine tiefe Sitzbank, nochmal 20mm raus holen können. Zum Glück hab ich tendenziell eher das gegenteilige Problem. Nur beim Hosen kaufen ist es ein riesen Nachteil, wenn man als Frau eine Innenbeinlänge von knapp 90cm hat.

Aber heute werden ja keine Hosen getestet, sondern Motorräder. Also zurück auf die Straße. Normalerweise brauche ich immer ein bisschen um mit einem neuen Motorrad warm zu werden. Diese Zeitspanne hat die Tiger aber ziemlich kurzfristig übersprungen. Vielleicht auch dank der sehr individuell einstellbaren Fahrmodi. Dies kann man nur im Stand wechseln. Im Gegensatz zur Federung. Das funktioniert sogar während der Fahrt auf Knopfdruck. Ich war echt beeindruckt davon, wie sehr sich das Fahrgefühl verändern kann, wenn man in diesen Menüs ein bisschen rumspielt.

Nach den kleinen Pausen auf unserer Straßentour wurden die Maschinen hin und her getauscht, damit sich wirklich jeder jedes Modell ansehen konnte. Auf meinem Abschnitt auf der Rally Explorer war ich besonders gespannt. Vor allem weil es ja immer noch oft heißt, dass Frauen keine so großen und schweren Maschinchen fahren können/sollen. Von Wegen! Das einzige was mich hier irritiert hat, war der Totwinkel-Assistent. Nicht mal mein Auto besitzt sowas. Ich bin es nicht gewohnt, dass mein Spiegel anfängt zu blinken. Bei dichtem, versetzten Auffahren in einer Kolonne, würde ich mich vermutlich irgendwann daran gewöhnen.

Nach ca. 100 Kilometern auf der Landstraße habe ich festgestellt, dass die Tiger durchaus auch ein braves Kätzchen sein kann, was das Handling betrifft. Das einzig negative war in meinen Augen die teilweise minimal ruppige Gasannahme bei starker Beschleunigung. Aber das ist Meckern auf extrem hohen Niveau und fällt vermutlich nur dann auf, wenn man danach sucht. Ansonsten hab ich trotz intensiver Suche nichts gefunden, was mich stört. Vor allem die Charakteristik des Motors gefällt mir extrem gut.

Auf dem Tiger in die Wildnis

Jetzt gibt es in den Tiefen Deutschlands leider keinen Dschungel, in dem sich ein Tiger deutlich wohler fühlen würde. Aber als passendes Äquivalent, durften wir die Tiger in einer alten Lavagrube über Sandpisten und Hügel jagen.

Schon der Einstieg hat gezeigt, wie gut die Assistenzsysteme der Tiger greifen. Auf grobem Schotter kommt man nicht weit, wenn noch der Straßenmodus eingestellt ist. Die Traktionskontrolle lässt hier teilweise das Weiterfahren gar nicht zu. Aber dank Offroad-Modus ist das ganze dann natürlich kein Problem mehr.

Bei flauschigen 31 Grad im Schatten war es dann soweit. Kurze Streckenbegehung, ausloten wo der Sand wie tief ist und dann rauf auf die Mopeten. Was haben wir alle geschwitzt. Nur die Tiger nicht. Die hat mich trotz meines Fahr(un-)vermögens, sicher durch den Sand und über die Steine bugsiert. Hier zeigt sich der große Vorteil des 21 Zoll Vorderrads natürlich extrem. Ein weiteres Extra der Rally konnte ich (aus Gründen) nicht testen, finde ich aber unbedingt erwähnenswert. Die Tiger hat eine „Sprungerkennung“. Sind beide Räder in der Luft, geht eine Info ans Fahrwerk, welches sich dann auf eine Landung vorbereitet und dementsprechend die Federung anpasst, damit sie bei der Landung nicht durchschlägt.

Ein gezähmter Tiger und ein glückliches Rethörnchen

Trotz Schlankheitskur ist die Tiger immer noch kein Leichtgewicht. Das habe ich vor allem auf den losen Sandpassagen gemerkt. Aber aufgrund der durchdachten Konstruktion bin ich kein einziges mal so sehr weggerutscht, dass ich testen musste, wie schwer sie wieder aufzuheben ist. Auch beim fahren von engen Kurven hat mir das Handling sehr gut gefallen.

Abschlussfahrt im Fahrsicherheitszentrum

Trotz Hitze, Staub und beginnender Müdigkeit, durften wir am Ende mit der Tiger noch auf das Fahrsicherheitsgelände des Nürburgrings und ganz viele Kurven fahren. Das war ein grandioser Abschluss, da dort jeder nochmal ein bisschen „Rossi“ spielen durfte und ich mich in jeder Runde, ein bisschen mehr mit der Maschine in die Kurve geworfen habe.

Fazit

Ich hatte einen grandiosen Tag! Die Tiger 1200 ist ein wirklich durchdachtes Motorrad und hat mir sehr viel Freude bereitet. Jeder, der ein Reisemotorrad sucht, welches auf der Straße und im Gelände eine gute Performance abliefert, kommt an der neuen Tiger nicht vorbei. Und falls doch, dann macht er einen Fehler!

Ein Herz für Tiger