Motorradblog über Benzinkultur, Motorradtouren und Custombikes

Premiere der neuen BMW G310 GS in Barcelona

Mit einer BMW F650 GS begann meine Motorradsozialisation, schon allein deshalb freute ich mich über die Einladung von BMW Motorrad, die neue G310 GS anlässlich des weltweiten Presse-Events in Barcelona kennen zu lernen und zu testen.

Mit einer Leistung von 25 kW (34 PS) sowie einem maximalen Drehmoment von 28 Nm fehlen dem Einzylinder der G310 GS 16 PS auf meine damalige F650 GS, beim Leergewicht liegt sie 15 Kilo drunter. Im Vorfeld war ich gespannt, wie viel mit der Maschine auf der Landstrasse, vor allem aber auch im leichten Gelände möglich ist.
Der Fahrspaß steigt ja nicht immer linear mit der Leistung. Als Besitzer einer 22 PS-Vespa und einer alten 27 PS-Honda habe ich da gute Erfahrungen. Auch meine aktuelle Yamaha MT-07 habe ich mir zugelegt, weil sie Fahrdynamik und Agilität in sehr kompakter Form zu kombinieren weiß.

Doch zurück zu G310 GS. Den Einstieg in das U500-Segment begann für BMW mit dem Schwestermodell G310 R und ist für BMW Motorrad nicht zuletzt mit Blick auf internationale Märkte ein wichtiger Schritt. Mag hierzulande ein R1200 GS-Fahrer die kleine G310 GS etwas mit Argwohn beäugen, so gilt die kleine GS in anderen Märkten schon als Big Bike.

Der erste Eindruck

Schon beim Betrachten der Pressebilder fiel die G310 GS mit charakteristischen Merkmalen auf. Der hohe Frontfender, die markanten Flyline und das kurze, hohe Heck lassen keinen Zweifel über die Familienzugehörigkeit aufkommen. Auch in natura wirkt sie durchaus erwachsen. Die kompakten Proportionen mit kurzem Radstand, dem 19 Zoll großen Vorderrad und den langen Federwegen versprechen agiles Fahrverhalten.

Die Technik

Fahrwerksseitig baut die neue G 310 GS analog zum Roadster G 310 R auf einen Stahlrohrrahmen in Gitterbauweise mit angeschraubtem Heckrahmen auf. Die Radführung vorne übernimmt eine solide Upside-down-Gabel, während hinten eine Aluminiumschwinge in Verbindung mit einem direkt angelenkten Federbein zum Einsatz kommt.

Die Federwege wurden im Vergleich zum Roadster um 40 Millimeter erhöht, um auch Ausflüge abseits asphaltierter Strassen sorgenfrei gestalten zu können. Die Fünfspeichen-Leichtmetalldruckguss-Räder messen vorne 19 Zoll, hinten 17 Zoll.
Das serienmässige 2-Kanal-ABS lässt sich bequem per Schalter an der linken Armatur für den Geländeeinsatz deaktivieren. Vorne beisst eine Einscheibenbremse in eine 300 Millimeter Bremsscheibe, hinten übernimmt diese Aufgabe ein Zweikolben-Schwimmsattel in Verbindung mit einer 240-Millimeter- Bremsscheibe.
Jetzt aber aufgesattelt und losgeritten.

In der Stadt


Der erste Teil unserer Testfahrt führt uns durch den wuseligen Stadtverkehr von Barcelona. Ähnlich wie in anderen südlichen Metropolen sind hier Roller ein sehr beliebtes Verkehrsmittel. Gepaart mit einer ordentlichen Portion Wahnsinn pfeilen die Barcelonesen über Bus- und Taxispuren oder zwischen anderen Autos hindurch. An der Ampel wird nicht bei Grün losgefahren, sondern bereits wenn die Fußgänger-Ampel von Grün auf Rot umschaltet. Wir nehmen es mit Humor und mischen uns in den Pulk, allerdings mit etwas gesitteterer Fahrweise. Die Wendigkeit der kleinen GS überzeugt bereits hier. Man muss sich nur daran gewöhnen, etwas mehr Anfahrdrehzahl zu geben als mit einem größeren Bike. Das kurz gestufte Getriebe schaltet gut, nur die Suche nach dem Leerlauf gestaltet sich gelegentlich zum Geduldsspiel. Ebenso könnte der Druckpunkt der Kupplung etwas präziser sein.

Bereits in der Stadt nehmen wir die ersten Serpentinen unter die Räder über den Tibidabo. Hier sind zwar nur 50 km/h erlaubt, aber bereits hier macht die quirlige Maschine sehr viel Spaß und deutet ihr Potential an für die Strecke, die wir später am Montserrat unter die mit Metzeler Tourance-Gummis bespannten Räder nehmen würden.

Auf der Autobahn

Um zum Montserrat zu kommen, nehmen wir ein kleines Stücke Autobahn. Es herrscht wenig Verkehr, so daß wir es etwas fliegen lassen können. Als Höchstgeschwindigkeit für die 310er GS werden 143 km/h angegeben. Um diese zu erreichen, muss man den Gasgriff schon bißchen auswringen, oben raus wird es bißchen dünn mit der Beschleunigung. Aber bei einem Autobahn-Richttempo von 120 km/h lässt sich mit der Maschine gut dahinreisen und auch längere Etappen erscheinen hier gut möglich. Die Maschine liegt stabil und der kleine Windschutz an der Cockpitkanzel leistet erstaunlich gute Arbeit.

Auf der Landstrasse

Die Sonne vertreibt die letzten Nebelschwaden und vor uns liegt der heilige Berg der Katalanen, der Montserrat. Die Silhouette erinnert mich stark an die Dolomiten, so daß ich die Tour am Abend spontan die „katalanische Sellarunde“ umtaufe. Ähnlich spektakulär ist das Landstrassengeläuf und es scheint wie für die G310 GS gemacht. Schöne Kurvenkombinationen werden hier von kurzen Geraden zusammengehalten und im Laufe des Nachmittages machen wir einige Höhenmeter in beide Richtungen. Unser Tourguide Robert macht einen exzellenten Job und gibt eine gute Pace vor, als Gruppe harmonieren wir perfekt und fahren in sehr kompakter Formation durch die Biegungen.

Anscheinend animierte dies zwei Einheimische auf Aprilia und Ducati, uns zu jagen. Ich glaube sie waren überrascht, wie schwer es ihnen fiel, uns zu passieren. Auf der Bremse und in der Kurve gab es auf den winkligen Strassen keine reelle Überholchance und längere Geraden waren spärlich gesät.

Bei dem Fahrspaß, den wir hatten war jeder Gedanke an die „nur“ 34 PS der Maschine vergessen. Sie macht es einem leicht, einen sauberen Strich zu fahren. Ein falsch gesetzter Bremspunkt oder eine suboptimal gewählte Kurvenlinie kannst Du mit der Maschine nicht einfach durch stärkeren Gashandeinsatz auf der folgenden Geraden kompensieren, das muss fliessen. Das gute Handling und das geringe Gewicht tun ihr übriges zur guten Fahrbarkeit der Maschine dazu.

Auf Schotter

Am Nachmittag zweigen wir von der Landstrasse ab und toben etwas über die Schotterpisten eines Olivenhains. Während die anderen noch beim Fotostop warten, wusel ich etwas durchs Gehölz. Auch im leichten Offroadeinsatz bietet die GS ein gutes Handling. Hier habe ich allerdings etwas mehr Drehmoment vermisst, wenn man mit leicht schleifender Kupplung über Hindernisse manövriert. Die Federung macht einen guten Job, Auswaschungen und Schlaglöcher steckt sie auch bei höheren Tempi gut weg. Beim Fahren im Stehen hat man einen guten Knieschluss am Tank, für mich und meine Armlänge war der im Vergleich zum R-Modell etwas breitere und weiter nach hinten gekröpfte Rohrlenker auch in aufrechter Fahrhaltung gut zu erreichen.

Gesamteindruck

Sehr ungern haben wir alle am Abend des Testtages die Motorradschlüssel wieder abgegeben. Denn mit der G310 GS hat BMW Motorrad ein erstaunlich komplettes und wertiges Bike hingestellt. Nicht nur in der Stadt und auf der Landstrasse weiss sie zu überzeugen, ich würde ihr auch eine gewisse Fernreisetauglichkeit unterstellen. Entsprechendes Zubehör wie Hauptständer, Topcase, Bordsteckdose und Navigationsgerät gibt es bereits jetzt im BMW Zubehörprogramm. Gebaut wurde die G310 GS auch mit Blick auf die sogenannten „Emerging Markets“ wie Asien und Brasilien. Bei den Qualitäten des Motorrades gepaart mit einem Einstiegspreis von 5.800 € glaube ich aber fest daran, daß die kleine GS hierzulande auch reichlich Anklang und Käufer finden wird.

Bilder: BMW Motorrad, Markus Jahn

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  1. Tja, nun hat sogar BMW diese Motorradklasse (wieder-)entdeckt. Die Sache mit dem Gewicht ist für mich das Wichtigste bei einem Mopped geworden. Als langjähriger Fahrer von zwei 20*kg/50PS Transalps hatte ich nämlich mal für eine längere Zeit eine gedrosselte Honda Vigor (SLR) 650 in Pflege. Ein 17*kg/34PS Mopped. Was für ein Spaß, auch auf längeren Touren. Seitdem warte ich auf eine unter 200kg Reiseenduro mit etwas mehr als 50PS.

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