Motorradblog über Benzinkultur, Motorradtouren und Custombikes

Brandenburg-Tour mit den Endurofunten

Um den gestrigen Tag mal in Zahlen zu beschreiben: 320 Tageskilometer, 260 davon auf der Endurofunten-Tour, von denen wir 90% auf nicht-asphaltierten Strassen, stehend in den Fußrasten verbrachten. Heute habe ich den zweitschlimmsten Ganzkörpermuskelkater meines Lebens, härter war es nur nach meinem ersten Tag Wakeboarden.

Auf jeden Fall war das das härteste, was ich je auf meinem Motorrad erlebt hatte. Es ging los morgens um 9:00 am Treffpunkt in Bergfelde bei Berlin, insgesamt fanden sich 12 Fahrer ein. Alle auf KTM, Beta oder anderen Hardenduros. Wäre zum Schluss nicht noch ein Fahrer mit einer Africa Twin gekommen, wäre meine F650 GS mit Abstand das schwerste Mopped im Pulk sein. Wie es schien war ich der einzige Enduro-Rookie. Als die Fahrer dann auf zwei Gruppen verteilt wurden, schloss ich mich der gemäßigteren an.

Die Streckenführung ging grob über Henningsdorf, Velten, Oranienburg, durchs Löwenberger Land, kurz vor Rheinsberg hatten wir glaube ich den nördlichsten Punkt erreicht, von dem aus es über Gransee und Liebenwalde wieder zurück nach Bergfelde ging. Landstrassen waren nur kurze Verbindungsetappen zwischen Feld- und Waldwegen, Äckern und Bahndämmen.

Die Pace war erstaunlich schnell, speziell am Vormittag musste ich permanent am oder über meinem Limit fahren. Vor allem auf sandigem Untergrund ging mir der Puls, damit konnte und kann ich nicht umgehen. Natürlich hatte ich im Vorfeld der Tour den einen oder anderen Ausflug auf nicht-asphaltierten Untergrund unternommen, auch auf Sandpisten in der Müritz. Ich hatte mir – beispielsweise hier und hier – die verschiedensten Tips zu Fahrtechniken durchgelesen. Aber es ist ein himmelweiter Unterschied vom Wissen darüber, daß man bei einem schlingernden Hinterrad auf Sand mehr Gas geben muss um das Motorrad zu stabilisieren bis zur praktischen Umsetzung, wenn dein Unterbewußtsein laut schreit „Langsaaaamer“.

So prügelte ich mich und meine GS mit 60-70 Sachen über die Feldwege und lernte nur langsam die angelesenen Fahrtipps umzusetzen, wie das stärkere Arbeiten mit der Kupplung in den Kurven statt die Bremse zu benutzen. Am Nachmittag ging das schon viel besser und ich wuchtete meine Dicke schon einigermassen enduromäßig ums Eck. Trotzdem kam es noch zu einigen grenzwertigen Szenen auf Sand oder Schotter, wobei ich die GS nur einmal ablegen musste und das bei langsamer Fahrt auf Sand. An das springende Hinterrad gewöhnte ich mich und auch daran, den Lenker nicht wie einen Schraubstock zu umklammern sondern dem Motorrad etwas Spielraum zu geben.

Als ich schon dachte, ich wäre ganz gut unterwegs, überholte uns die schnellere Gruppe in einem Waldstück und ich fühlte mich als ob ich parken würde. Irre. Ihr werdet das im Video sehen, daß ich noch zusammenschneiden muss. Unser Tourguide Sven fuhr nach meinem Dafürhalten eine sehr schnelle Pace, zwischendrin wurde immer auf die anderen gewartet, aber da der Fahrer der Africa Twin oder ich immer das Schlusslicht der Truppe bildeten hatten wir kaum eine Verschnaufpause, da Sven sofort wieder anfuhr, als wir die anderen wartenden Fahrer erreichten. Am Vormittag ging das noch, aber am Nachmittag schwanden langsam die Kräfte, da wurde es schon nervig. Ein Vorteil für uns war, daß die kleinen Maschinen auch kleine Tanks hatten und zweimal zum nachtanken fahren mussten. Da konnten wir uns mal 10 Minuten ausruhen, bevor es weiterging. Einmal ging einem Fahrer unterwegs das Benzin aus, hier zeigte es sich als Vorteil, ein Dickschiff wie die Africa Twin dabei zu haben, das konnte einen Liter erübrigen, welches wir in eine PET-Flasche abzweigten. Das reichte dann bis zur nächsten Tanke.

Auch so eine Kleinigkeit: schon beim morgendlichen Treffen hatte ich mich als Offroad-Grünschnabel zu erkennen gegeben. Eher zufällig kamen wir dann im Gespräch auf das Thema Reifendruck und Sven gab mir dann den Tipp, beim ersten Tankstopp den Luftdruck vorne auf 1,5 bar und hinten auf 1,3 bar zu senken, um den Grip abseits der Strasse zu erhöhen. Hätte ich mir auch denken können, aber eine kurze, strukturierte Einweisung am Morgen für Neulinge (oder als Hinweistext im Bestätigungsschreiben) hätte ich besser gefunden.

Nachdem wir am Vormittag schon bei Velten in einem kleinen Enduropark hielten, in dem vor allem die schnellere Gruppe ihren Spaß hatte, fuhren wir an Nachmittag am Hangelberg bei Kraatz in ein ehemaliges NVA-Militärgelände. Zwischen den Bunkern durchzubraten machte einen Heidenspaß und bei der einen Anhöhe versuchte sich sogar der Kollege mit er Africa Twin im Hillclimb:

Genau an der Stelle legte ich meine GS zum zweiten Mal an diesem Tag nieder. Ich folgte als zweiter im Pulk unserem Teamleader Sven den Berg hoch und oben war leider das kleine Mäuerchen im Weg, auf das ich nicht vorbereitet war. Aber alleine diesen Anstieg ungesehen aus voller Fahrt zu nehmen hätte ich mich am Vormittag wahrscheinlich nicht getraut.

Am späteren Nachmittag sollte sich das hohe Tempo und die geringen Pausen bei mir bemerkbar machen. Die Oberschenkel brannten und die Konzentration ließ deutlich nach. So viel Passagen wie möglich versuchte ich im Sitzen zu fahren, was allerdings ob der vielen Bodenwellen auf den Pisten kaum möglich sein sollte. Und meine GS hatte hierfür einfach nicht ausreichend Federweg. So oft gingen die Dämpfer auf Block und ich schlug mit dem Motorschutz oder dem Hauptständer auf dem Boden auf. So heftig, daß sich beim Seitenständer die Bodenplatte verbog. Irgendwann kurz vor Schluss ließ ich die Truppe ziehen und fuhr mit einem anderen Teilnehmer auf dem asphaltierten Weg nach Bergfelde zurück. Wenn es auch nur die letzten 20 Kilometer waren, aber ich war einfach durch und hatte schon in der halben Stunde zuvor zwei, drei haarige Situationen, wo ich die GS fast in den Wald geschmissen hätte. Wir waren zwar nur fünf Minuten vor den anderen am Treffpunkt, aber dafür an einem Stück.

Insgesamt war mir der Pausenanteil viel zu gering. Wir hatten zwei Tankstopps à 10 Minuten und eine kleine Mittagspause von 20 Minuten gemessen an einer Tagesfahrzeit von 8 1/2 Stunden. Bei jeder regulären Tour dieser Länge auf Asphalt hätte ich mehr Pausenzeiten eingeplant. Vielleicht ging es den anderen anders, aber die waren auch keine Neueinsteiger wie ich. Aber zumindest wurde das Tagesziel „Mopped ordentlich einsauen“ voll erreicht:

Mein Fazit zu dieser Tour: für Anfänger ohne Vorkenntnisse wie mich nur bedingt zu empfehlen. Wenn, dann nur mit einer „richtigen“ Enduro und keiner Reiseenduro wie meiner F650 GS. Zur Not eine anmieten für den Tag. Auf jeden Fall waren die Pausen viel zu gering für die Tourlänge und das anspruchsvolle Gelände.

Und merkt Euch: nur weil ihr Stollenreifen auf dem Mopped habt, könnt ihr noch lange nicht offroad fahren!

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A Day At Home With Off-Road Racer Chris Hollis

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Endurofunten-Tour – das Video

  1. sehr schöner Rapport, danke!

  2. Hehe, danke. Hat auch etwas länger gedauert.

  3. Marc

    Bin sehr beeindruckt, kann ungefähr ermessen, wovon die Rede ist. Stimme auch in meiner Haltung zu Sand mit Dir überein. Reeeespekt!

  4. Martin

    Schöner Bericht und tolles Filmchen! Hatte sehr ähnliche Erfahrungen vor zwei Jahren als Anfänger bei dieser Tour. Hat aber unheimlich Spaß gemacht! Gruß von einem der Überholenden aus der anderen Gruppe.

  5. Danke. Ich würde das auch gerne wieder machen, aber dann mit einer geeigneteren Maschine als meiner!

  6. Es hat mich echt gegruselt als ich Deinen Bericht gelesen habe. So kann man nicht mit Off-Road-Anfängern umgehen!
    Gut, dass Dir nichts passiert ist aber so wie es sich liest war es ja eher Glück als Fahrkönnen.
    Auch dass zwischendurche einem der Teilnehmer der Sprit ausgeht lässt nicht gerade auf einer ordentlichen Planung schließen. Ich fühle mich gewarnt und werde nicht mit den Endurofunten fahren.
    Dein Bericht jedoch ist toll geschrieben.

    • Danke Dir! Auf jeden Fall reizt mich das Offroad fahren nach wie vor. Ich werde mal ein Offroadtraining mit leichterem Gerät machen und bischen mehr Erfahrung sammeln. Bis ich die Baja Deutschland mitfahre, wird es noch eine Weile dauern!

  7. Ich bin die Baja mit einer geliehen EXC gefahren. Vor meiner ersten Teilnahme war meine Offroad-Erfahrung zwei Wochen Schotterpiste, mein erstes Enduro-Training hatte ich eine Woche nach dem Rennen. Übrigens mit einer 1200er Adventure.

  8. Hehe, dann besteht ja noch Hoffnung für mich!

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